Broken Flowers Frankreich, USA 2005 – 105min.

Filmkritik

Ein Mann sieht rosa

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Die Indie-Ikone Jim Jarmusch hat eine neue Farbe entdeckt, und Bill Murray darf schon wieder zeigen, was er besser kann als jeder andere: ein gelangweiltes Gesicht in die Kamera halten. Macht zusammen grosses Kino.

Auch wer seinen Humor nicht primanerhaft schimpft, fragte sich nach dem letzten Jarmusch, ob jetzt Schluss sei mit lustig. Schon klar, "Coffee and Cigarettes" war ein Zwischenfilm, ein Best-of nebenher gedrehter Szenen. Die Jarmusch-Gang machte auf Selbstparodie, aber nicht einmal, wer die Referenzhölle seine Heimat nennt, fand Gefallen an dem Potpurri, das die böse Kritik als Dokument der Erschöpfung dem Reisswolf vorwarf. Es war, so schien es, das Ende von etwas in schwarz und weiss.

Mit "Broken Flowers" erweitert Jim Jarmusch seine Farbpalette um einen neuen Ton. Don Johnston (Bill Murray) wird gerade von der Freundin (Julie Delpy) verlassen, als ihm ein Brief ins Haus flattert, rosarot und ohne Absender. Er habe, liest Don, einen Sohn, und der sei schon dabei, ihn zu finden. In einem Brecht'schen Lehrstück wäre Herr Keuner erbleicht, in Jarmuschs Leerstücken pflegt es auch in solchen Augenblicken nicht im Urphlegma der Figuren zu rucken. Don hätte wohl den Rest seines Lebens vor der Glotze verbracht, hätte ihm nicht Nachbar Winston (Jeffrey Wright) eine Reise organisiert, damit Don die vier Frauen aufsuche, die als Mütter seines Sohnes in Frage kommen.

Der Roadtrip zu den verwelkten Lieben eines Lebens (Sharon Stone, Frances Conroy, Jessica Lange, Tilda Swinton) wird nicht bunt. Grau sind die Orte, an denen sich Dons Exen verloren haben. Auch sie sind die geknickten Blumen, die der Titel des Filmes verspricht. Wenn hier etwas blüht, dann ist es der Hass. Die Indie-Ikone Jarmusch scheint wenig mehr zu verachten als das wunschlose Unglück, das sich hinter den Geranien der Häuser im Nirgendwo Amerikas verbirgt; literarisch und popkulturell gebrochen zwar, aber sind das mildernde Umstände?

Man kann in "Broken Flowers" die Wiederkehr des Immergleichen sehen, Jarmuschs viel besungene verknappten Dialoge, die Lakonik, die Freude an "odd stories", wie Don nennt, was er zu erfahren im Begriffe ist. Und diese programmatische Langweile natürlich: Schon bis der Rahmen der Geschichte gezimmert ist, dauert es ja ewig. Der Optimist indes erkennt einen Streifen am Horizont des Jarmusch'schen Universums, der die leicht kitschige Farbe des Briefes trägt, der alles auslöst. Unterwarf Jarmusch seine Figuren früher einem Kreisen, liess sie in demselben Nichts stranden, dem sie zu entkommen suchten, so scheint "Broken Flowers" eine feine Spirale eingebaut. Ob Don den Sohn je finden wird, spielt keine Rolle, ob es ihn überhaupt gibt, auch nicht. Von Gewicht ist vor allem, dass einer, dessen Gesicht vom Vorübergehen des Lebens so müde geworden ist, dass es nichts mehr hellt, sich aufmacht, sich als anderen zu denken - so lange wenigstens, bis er zu Hause wieder den Fernseher anwirft. Kein anderer ist übrigens Bill Murray, sondern genau der aus "The Life Aquatic" und "Lost in Translation". Er hebt nur die Augenbraue, verzieht den Mundwinkel, schweigt. Kleine Gesten, grosses Kino.

15.02.2024

5

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Kommentare

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movie world filip

vor 12 Jahren

sofaschlafer murray muss wieder in die vergangenheit - wie reagiert diese? tolle murray


hugowuergin

vor 16 Jahren

Tuvok, Du bist der Dümmste.


imy

vor 18 Jahren

zieht sich etwas in die länge...


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