Brick USA 2005 – 103min.

Filmkritik

The High School Jungle

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Regisseur Rian Johnson mixte in seinen Erstling die Zutaten eines zeitgenössischen High-School-Dramas mit der Atmosphäre und klassischen Sprache eines Film Noirs. Herausgekommen ist «Brick», eine seltsame Melange mit Sogwirkung.

Rian Johnson (33) suchte mit seinem Film «Brick» eine Antwort auf die Frage: Kann ein richtig klassischer Gangsterfilm auch heute noch funktionieren? Mit «Gangsterfilm» meinte er natürlich den Film noir, diese vergangene (Kino)-Welt in schwarzweiss, deren Sprache, Klamotten und dick aufgetragenes Verlierer-Pathos heute seltsam berühren. Hier waren Gangster noch Könige; daneben einige hart gesottene Kerle, die die Haltung zu wahren versuchten. Traurige Moralisten mit Schlapphut, die sich den Unrat mit Alkohol und coolen Sprüchen vom Leibe hielten. Verkörpert wurde der Noir-Typ idealerweise von Humphrey Bogart, der den Trenchcoat wie ein Panzer trug, um die verschütteten Reste seiner verletzten Seele zu schützen. Gaben diese Typen ihrer versteckten Sehnsucht einmal nach, war es oft auch schon zu spät. Starben sie nicht im Kugelhagel, riss sie eine Femme fatale in den Abgrund.

Rian Johnson mag das anachronistische Genre. Gleichzeitig ist ihm aufgefallen, wie überraschend nahe sich die vergangene Welt der schwarzen Serie und das heutige Schulmilieu sind. Hier wie dort werden Idealisten schnell zu Aussenseitern, während die Masse für ein bisschen Erfolg über Leichen zu gehen lernt. Verlor man seine Illusionen früher im Asphaltdschungel, so beginnt die Vorbereitung auf die Risikogesellschaft heute auf der Schulbank. Die High School ist so für Johnson nicht - wie in vielen US-Schulfilmen - einfach Projektionsfläche für sexuelle Neugierde und naive jugendliche Lebenslust, sondern auch fürs Verbrechen. Vieles ist streng ritualisiert, die Grenzen abgesteckt und bevölkert wird dieser Schauplatz von früh Vergreisten.

Vor diesem Hintergrund entstand das High-School-Drama «Brick», in dem die Schüler reden, als wäre Bogart in sie gefahren. Fast unheimlich, aber irgendwie auch zwingend, ist es, wenn sich der typische Schulaussenseiter Brendan (Joseph Gordon-Levitt) im Stile von Sam Spade an die Lösung eines Mordfalles macht. Die Ex-Freundin Emily (Emilie de Ravin) meldete sich kurz vor ihrem Verschwinden mit einem verzweifelten Anruf beim Einsamen. Später findet Brendan ihre Leiche. Weil die Polizei schlampt, fühlt er sich berufen, den Mörder zu finden. Unterstützt von seinem einzigen echten Freund «The Brain» (Matt O'Leary) macht er sich daran, ins Zentrum einer dubiosen Verschwörung vorzudringen. Die Wege führen über Schlägerbanden, Junkies, Footballhelden und einige Femmes fatales schliesslich zu «The Pin» (Lukas Haas), dem geheimnisvollen Kopf einer Drogenbande. Um einer Lösung näher zu kommen, lässt sich Brendan von den Gangstern anheuern. Ein Schritt mit unvorhersehbaren Folgen.

Es gab natürlich schon vor «Brick» zahllose Versuche, die Formel des klassischen Film noir zu reaktivieren. Doch wo die meisten entweder nostalgische Kostümdramen schufen oder aber auf die Parodie beziehungsweise die Beschwörung vergangener Coolness fokussierten, wollte Johnson den Kern des Genres freilegen. Er wollte zeigen, dass die Arbeit mit Serie-Noir-Codes unabhängig von Zeit und Ort funktioniert und immer noch überraschende Einblicke ins Leben bieten kann. Und weil es Johnson in seinem Erstling meisterhaft versteht, seinen ernsthaften Ton zu halten, ohne lächerlich zu wirken, provoziert er damit produktive Irritation - eine seltene Qualität im heutigen Kino.

31.05.2021

4

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