Quand la mer monte Belgien, Frankreich 2004 – 93min.

Filmkritik

Von Liebe ohne Chanson

Beatrice Minger
Filmkritik: Beatrice Minger

Unter dem grauen Himmel Nordfrankreichs ereignet sich eine aussergewöhnliche Liebe zwischen gewöhnlichen Menschen, die sich zwischen Bühne und Strasse langsam anschleicht. «Quand la mer monte»: Eine Art französischer Roadmovie.

Irène (Yolande Moreau) ist Schauspielerin und tourt mit ihrem Bühnenprogramm «Sale Affaires» durch das ländliche Nordfrankreich. In diesem spielt sie eine tragisch-komische Mörderin auf der Suche nach der grande amour. Dabei ist es Teil jeder Vorstellung, dass ein potentieller Liebhaber aus dem Publikum ausgewählt wird, «das Küken», wie sie sich ausdrückt. In einem der Provinznester in welchem Irène auftritt, trifft sie auf Dries (Wim Willaert), der ihr erstmal bei einer Autopanne und am Abend bei der Vorstellung als Küken aushilft. Dries ist das, was man einen Lebenskünstler nennt, ein bodenständiger Mensch, mit aufbrausendem Temperament und seltsam holzigem, weil belgischem Dialekt. Er hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und bastelt in seiner Freizeit Riesenpappfiguren, mit welchen er und seine Freunde auf Dorffesten auftreten. Dries wird auch in den folgenden Vorstellungen als Küken auserkoren und auch in jenen im nächsten Dorf und eh sich Irène versieht, tourt sie mit ihrem Küken durch Nordfrankreich.

Sie entrollt sich ganz langsam und zögerlich, diese Liebesgeschichte. Nicht nur weil Irene verheiratet ist und jeden Tag mit ihrem Mann am Telefon die Farbe der Badezimmerplättchen bespricht, sondern auch weil diese Faszination für einander erstmal zu Faden geschlagen werden muss und die beiden gar nicht recht zu begreifen scheinen, wie ihnen geschieht. Doch es besteht kein Zweifel, irgendwo zwischen Bühne und Dorffest, zwischen Auto und Strasse entsteht verspielte und verzuckerte Liebe, wie es keiner von beiden erwartet hätte.

Der erste Spielfilm von Yolande Moreau und Gilles Porte ist ein bezauberndes Stück französisch-belgischer Film. Moreau, in Frankreich ein arrivierter Bühnenstar, spielt brilliant die Rolle der mordenden Liebhaberin im Wechselspiel mit der Rolle als Schauspielerin und Ehefrau/Mutter, die zwischen Eigenheim und schwereloser Ungezwungenheit steht. Mit einer Prise Melancholie, wie es nur die Franzosen drauf haben, wird dem Zuschauer zwischen Bühne und Strasse eine ungewöhnliche Liebesgeschichte erzählt. Eine Art Roadmovie, welchen den beiden Figuren den Rahmen bietet, den Zauber der Gegenwart zu geniessen, im mitschwingenden Bewusstsein, dass die Zukunft sie einholen wird.

25.05.2021

4

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Kommentare

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geri62

vor 18 Jahren

Schöner, einfach gestalteter Film.


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