Country of my Skull Irland, Südafrika, Grossbritannien 2004 – 105min.

Filmkritik

Spagat über Leichen im Familienkeller

Filmkritik: Eduard Ulrich

Noch kann man in "Hotel Rwanda" über afrikanische Greueltaten erschrecken, da kommt schon der Nachschub, der aber eine ganz andere Geschichte erzählt: Das durch die weissen Unterdrücker verursachte spätkoloniale Leiden soll nicht mit Gleichem vergolten werden - Versöhnung für eine gemeinsame Zukunft ist angesagt. Dies dem US-amerikanischen Alleswisser Langston beizubringen, ist für die Südafrikanerin Anne keine leichte Aufgabe.

Der Einstieg in die entsetzliche Geschichte gelingt mit der liberalen Schriftstellerin Anna (Juliette Binoche) und dem gesellschaftskritischen Journalisten Langston (Samuel L. Jackson), die sich anlässlich des Berichtens über die Sitzungen der südafrikanischen Wahrheits- und Aussöhnungskommission näherkommen. Diese Kommission sollte die Untaten der Unterdrücker aufklären, die Unverbesserlichen ordentlichen Gerichten überantworten, die Reuigen begnadigen und ein Aussöhnen von Tätern und Opfern ermöglichen.

Die Sitzungen und einige Exkursionen an Schauplätze der gnadenlosen Unmenschlichkeit bilden die eine emotional packende Hälfte, während die Diskussionen zwischen Anna und Langston sowie anderen kontrovers eingestellten Personen meist ziemlich lehrbuchhaft platt wirken. Die künstlich eingestreuten dramatischen Elemente stören sogar eher, als dass sie zum Verständnis beitragen würden. Das ist umso bedauerlicher, als die Schilderungen der perfiden Grausamkeiten und des persönlichen Leids unmittelbar heftig berühren, wodurch die dramaturgischen Mängel in den Hintergrund treten. Dazu trägt auch die bis in die vielen wichtigen Nebenrollen ausgezeichnete Besetzung bei, die jeden Rollentyp genau trifft und ein weites Spektrum abdeckt.

Obwohl man diesem Thema mehr Risiko bei der Regie, mehr inszenatorische und visuelle Einfälle als beispielsweise das Gegenüberstellen von wunderschöner Landschaft und einer hässlichen, gewaltsamen Polizeiaktion gewünscht hätte, hat das konventionelle Strickmuster doch den Vorteil der Massentauglichkeit. Wenn damit mehr Menschen aus dieser Geschichte lernen, kann man dem Regisseur John Boorman nicht wirklich böse sein. Das wunderbar authentische Hauptdarstellerpaar sorgt immerhin dafür, dass man ein paar Weisheiten und Denkanstösse mit nach Hause nimmt - beispielsweise die knifflige Frage, ob Mann aus politischen Motiven vergewaltigen kann. Und natürlich einen Kernpunkt schwarzafrikanischer Weltanschauung: Ubuntu!

10.11.2020

3.5

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Kommentare

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billo

vor 18 Jahren

Ein Film für alle Kids, die nie recht verstanden haben, warum ihre Eltern damals gegen die Apartheid in Südafrika waren.
Und für alle, die damals schon keine Kids mehr waren und hätten wissen können, was los war, denen es damals aber mehr oder weniger egal war.

Geschichtlicher Nachhilfeunterricht.
Für all jene, die nicht nach Palästina gehen wollen oder können. Denn dort läuft das genau so, jetzt.

Und als Impfung für uns alle, damit diese brutale, sinnlose, von Angst und Hass getriebene Grausamkeit endlich aus der Menschheit verschwindet.Mehr anzeigen


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