Before Sunset USA 2004 – 80min.

Filmkritik

Narzissmus statt Romantik

Filmkritik: Carole Koch

Vor neun Jahren wurde Regisseur Richard Linklater für "Before Sunrise" mit einem Berlinale-Bären ausgezeichnet. Das Sequel geht an den renommierten Festivals jedoch leer aus. Kein Wunder, "Before Sunset" ist nicht mehr als die überflüssige Fortsetzung einer aussergewöhnlichen Love-Story.

So schön kann Film sein: Ein Amerikaner (Ethan Hawke) und eine Französin (Julie Delpy) treffen sich im Zug nach Wien. Aus der zufälligen Begegnung wird eine 24 Stunden-Romanze. Beim Abschied vor Sonnenaufgang tauschen die beiden weder Adressen noch Telefonnummern, aber sie wollen sich in sechs Monaten zur selben Zeit am selben Ort wieder sehen. Romantik pur - das ist der Stoff aus dem "Before Sunrise" gemacht war. Eine Geschichte, die vom Zauber eines einzigen Moments, von Abschied und Unvollendung lebte und genau deshalb nicht weiter geschrieben werden sollte.

Zugegeben, insgeheim will trotzdem jeder wissen wie's weitergeht. So lässt Richard Linklater das Paar jetzt in Paris erneut aufeinander treffen: Jesse, in der Zwischenzeit zu einem angesehenen Schriftsteller mit Frau und Kind mutiert, stellt in einer Buchhandlung seinen neuen Roman vor. Darin hat er die Erlebnisse jener Nacht in Wien niedergeschrieben. Céline, Politikwissenschafterin und Umweltaktivistin, ist unter den Zuhörern. Das Wiedersehen ist unbeholfen, aber herzlich. Für die erneute Annäherung bleiben diesmal lediglich 80 Minuten. Dann geht Jesses Flugzeug zurück nach New York.

Sie trinken Kaffe, flanieren durch Pariser Gassen, spazieren am Ufer der Seine und reden dem Teufel ein Ohr ab. Womit wir beim Kernproblem des Streifens wären. Die grosse Enttäuschung ist jedoch nicht die Intensität, sondern der Inhalt der Kanonenschuss-Kommunikation. Aus Smalltalk wird nach etwa zehn Minuten eine monströse Unterhaltung über Gott und die Welt mit philosophischen Abstechern in Themen wie den Sinn des Lebens oder Schicksal und Zufall. So werden in den verbleibenden 60 Minuten mal schnell die letzten Fragen der Menschheit abgehandelt sowie intimste Wünsche und Geheimnisse ausgetauscht. Ein Dialog, der so verzweifelt um Nähe, Zweisamkeit, Witz, Tiefgang und Intellekt ringt, dass Natürlichkeit und Spontaneität total auf der Strecke bleiben.

Zu hoch waren die Ansprüche des Trios Linklater, Hawke und Delpy, welche über Jahre und Kontinente hinweg an Drehbuch und Dialogen gefeilt haben. Die Phrasen, die uns da um die Ohren gehauen werden, wirken nicht weniger aufgesetzt und lächerlich als in den übelsten Hollywood-Schnulzen. Was einmal eine Liebesgeschichte mit Kopf und Bauch war, erinnert mehr und mehr an eine narzisstische Spielwiese für die Drehbuchautoren. Und das vermögen weder beeindruckend lange Kameraeinstellungen noch schauspielerische Fähigkeiten wettmachen.

So geht in "Before Sunset" nicht nur die Sonne unter, sondern auch die Hoffnung auf das Wiederaufleben einer Romanze mit Tiefgang. Bleibt zu hoffen, dass Linklater nicht auf die Idee kommt, noch eine Fortsetzung des Sequels zu drehen und die Erinnerung an "Before Sunrise" endlich in Frieden ruhen kann.

15.02.2024

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Kommentare

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dulik

vor 5 Jahren

Neun Jahre nach „Before Sunrise“ wird die Liebesgeschichte in „Before Sunrise“ fortgesetzt. Erneut wird der Fokus auf Dialoge, eine schöne Stadt und auf die beiden Hauptdarsteller Ethan Hawke und Julie Delpy gesetzt. Insgesamt ist dies wieder sehr gelungen, auch wenn der Zauber und der Überraschungseffekt des Vorgängers nicht mehr gleich intensiv aufkommen mögen.
7.5/10Mehr anzeigen


movie world filip

vor 12 Jahren

jahren nach der interessante film after the sunset jetzt wieder ein film mit tolle dialogen... erwachsene film, wieder von linklater -


majaruzic

vor 19 Jahren

Ich war sehr sehr sehr enttäuscht, als der Film nach etwas mehr als einer Stunde fertig war! Unglaublich. Der Regisseur hätte noch ein Bisschen mehr einbringen können als nur die herausgeschnittenen Dialoge von Before Sunrise zu verwerten.. nichtsdestotrotz ist es ein hübscher Film über die Liebe und die Chancen im Leben.. über das Leben selbst.

Zu den Kommentaren betr. Tuvok: ich musste laut rauslachen als ich das vorhin sah, TUVOK ist einfach nicht loszuwerden. Langsam vermute ich, er ist von der Redaktion erfunden worden.. denn so jemanden kann es doch nicht wirklich ernsthaft geben!!!! Im realen Leben.. naja, so lange man seine Kommentare überlesen darf, ist ja alles in Ordnung. Ausser man muss 17 Seiten lang scrollen, weil er wieder Mal kein Ende fand in einer einsamen Nacht..

;)Mehr anzeigen


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