Young Adam Frankreich, Grossbritannien 2003 – 93min.

Filmkritik

Bonjour Tristesse

Björn Schäffner
Filmkritik: Björn Schäffner

"Young Adam" zeigt Sex, Sex und nochmals Sex. Und der ist alles andere als romantisch: Ungeschönt wälzen sich die Leiber im Mief der britischen Nachkriegszeit. David Mackenzies meisterhafter Film Noir zeigt Ewan McGregor in einer seiner stärksten Rollen.

Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss. Im Fall von Joe Taylor (Ewan McGregor) heisst das: es fliesst hin und her und hin und her. Als Schriftsteller gescheitert, verdingt sich der junge Mann auf einem Kohlenschlepper, der zwischen Glasgow und Edinburgh verkehrt. Auf dem Boot hängt der Segen schief: Ella (Tilda Swinton) ist frustriert von ihrer Ehe mit Les (Peter Mullan) und liegt schon bald in den Armen des attraktiven Joe. Die versteckte Affäre fliegt jedoch auf und zieht den Abgang des gehörnten Gatten nach sich. Lange währt die neue Beziehung freilich nicht. Als Joe Ellas Schwester an die Wäsche geht - wir werden Zeuge eines mechanisch ausgeführten Quickies - muss der Tunichtgut seine Sachen packen.

Ein Mann ohne Gewissen, einer ohne Eigenschaften auch, permanent in Zigarettenqualm gehüllt, wenn er gerade nicht seine Lust am anderen Geschlecht befriedigt. Ewan McGregor zeigt in "Young Adam" wieder einmal seine wölfische Seite. Sein Joe redet wenig, lässt ab und an ein Lächeln oder einen Augenaufschlag spielen. Dies ist virtuoses Understatement: McGregors Porträt eines jungen Künstlers in den 1950ern gehört zum Besten, was vom schottischen Schauspieler bisher zu sehen war. Überhaupt ist dieser Film grandios besetzt: Mit Tilda Swinton, der ersten Muse der britischen Independent-Szene und Peter Mullan, dem Regisseur des Klosterdramas "The Magdalene Sisters", spielen an der Seite McGregors zwei formidable Mimen.

Im Film von Regisseur David Mackenzie - nach einem Buch des Schriftstellers Alexander Trocchi - ist Tristesse die vorherrschende Stimmung. Abgestumpft die Menschen, schummrig die Pubs und klaustrophobisch der Kohlenschlepper. Wie zuvor David Cronenberg in "Spider" entwirft Mackenzie - auch dank der Kamera von Giles Nuttgens und dem lyrischen Soundtrack von David Byrne - ein kunstvolles Zeitkolorit der britischen Nachkriegsjahre.

So viel schön inszeniertes Trübsal wirkt auf die Dauer etwas langfädig. Die Klippen einer reinen Formübung umschifft "Young Adam" aber kraft seines feinen Plots: In der ersten Einstellung treibt eine Frauenleiche im Meer, die Joe und Les aus dem Wasser fischen. In Rückblenden wird klar, dass Joe mit der Frau (Emily Mortimer) liiert war. Ob Joe die herzensgute Cathy auf dem Gewissen hat? Wer weiss. Bleibt vielleicht noch die Frage, wer mit dem ominösen jungen Adam gemeint ist, der im Film keine einzige Sekunde zu sehen ist? Wer weiss.

10.11.2020

4.5

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Kommentare

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coleturner

vor 18 Jahren

Ich finde den film total schlecht..


sminja

vor 18 Jahren

Der Film mag wohl gut sein, doch ich litt nur (wegen den unsympathischen Charakteren) und konnte dies deshalb nicht bemerken.


bonifate

vor 19 Jahren

schlichtweg ein wirkliches kunstwerk, dieser streifen. thematisierung des unausgesprochenen, nicht nur des sex. kino, welches sein ungeheures potential wenn nicht gänzlich, dann immerhin wesentlich mehr auslotet als 99 prozent der restlichen produktionen.


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