CH.FILM

Elisabeth Kübler-Ross - dem Tod ins Gesicht sehen Schweiz 2003 – 98min.

Filmkritik

Erfolgreiches Ändern der Gesellschaft im Umgang mit dem Tod

Filmkritik: Eduard Ulrich

Wer Stefan Haupts famosen Spielfilm "Utopia Blues" oder seinen liebevollen Dokumentarfilm "Increschantüm" gesehen hat, wird sich wohl fragen, wie er auf die Idee kommt, das Leben der Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross ins Zentrum seines neusten Films zu stellen - ein Thema, das leicht in eine esoterische Ecke rutschen kann. Aber Entwarnung! Obwohl Elisabeth Kübler-Ross teilweise das Unerforschbare zu ergründen versuchte, bleibt Haupt wohltuend immun gegenüber esoterischen Spekulationen.

Elektronische Musik zu den ersten Bildern erinnert an Sience Fiction-Filme oder esoterische Zirkel. Dieser Einstieg kann als ironische Geste verstanden werden, denn der Film huldigt keinem esoterischen Trend - im Gegenteil: Er erzählt mit reichhaltigem Material den Aufstieg der aus einfachen Verhältnissen stammenden Zürcherin Elisabeth Kübler-Ross zum Gipfel ihres immensen Erfolgs in den USA und in der ganzen Welt. Irrwege, Misserfolge und Rückschläge werden dabei nicht ausgespart. Fotos aus ihrer Kindheit, Filme von ihrem Mann und ihren Kindern, Interviews mit ihren beiden Drillingsschwestern und ehmaligen Mitarbeiterinnen, Fernsehaufzeichnungen von Podiumsgesprächen oder Seminaren und nicht zuletzt das persönliche Gespräch mit ihr selbst (sie lebt!) ergeben ein plastisches Bild von Kübler-Ross als Mensch und Forscherin.

Als sie 1926 in Zürich geboren wird, konnte niemand erwarten, dass sie sich einem Forschungsgebiet zuwenden würde, welches damals noch tabuisiert wurde. Ihre Eltern sahen für sie die klassische Rolle als Mutter und Hausfrau vor und verwehrten ihr den Besuch des Gymnasiums. Beeindruckend, wie die junge Elisabeth sich vom Elternhaus abwendet, um in Kürze die Matur nachzuholen und das Studium der Medizin anzufangen. Das bleibt nicht der einzige Beweis ihres eisernen Willens. Mehrmals in ihrem Leben muss sie gravierende Entscheidungen fällen - immer entscheidet sie sich für ihre Arbeit, für die Möglichkeit, das Sterben des Menschen und ein etwaiges "Leben" nach dem Tode zu erforschen. Ist es nicht eine Ironie der Wissenschaftsgeschichte, dass sie ihre Forschungsstelle in New York verliert, weil sie keine Forschungsresultate vorweisen kann? Ihre Aktivitäten passten damals nicht in das Raster der Medizin, die jeden klinischen Todesfall als Versagen im Kampf gegen eine Krankheit verstand und deshalb verdrängte. Vollkommen nachvollziehbar, wie sich die pragmatische und warmherzige Elisabeth Kübler-Ross den im harten Klinikalltag leidenden Todkranken zuwendet, anstatt Versuchsreihen durchzuführen. Ein Auschnitt aus einem Fernsehgespräch mit dem bekannten Schweizer Theologen Küng zeigt krass, dass sie keine Theoretikerin war, die sich in hochgestochenen Formulierungen über abstrakte Konzepte unterhält.

Die Sterbeforscherin, deren eigener Tod nicht gelingt? Man kann vermuten, dass sie erst dann wird in Frieden gehen können, wenn sie von ihrer noch am Ende des Films betonten Gewissheit ablässt, dass es eine individuelle Existenz nach dem Tod gäbe. In diesem Punkt irrt sie sich offenbar, da man heutzutage weiss, dass mit dem Hirntod eines Menschen nichts von seiner Persönlichkeit übrig bleibt. Aber dieser Irrtum entwertet ihre in der westlichen Zivilisation bahnbrechende Leistung keineswegs, da ihr Werk nachhaltige Veränderungen in diesen Gesellschaften im Umgang mit Sterbenden und Veränderungen der Sterbenden selbst im Umgang mit ihrem eigenen Tod erzielt hat.

25.05.2021

4.5

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Kommentare

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milkface

vor 21 Jahren

Ich fands eigentlich nicht schlecht, zumal ich sie vorher nur so vom Namen her kannte. Am Anfang störte mich einfach ein bisschen die monotone Musik, auch wurde es mit der Zeit ein wenig langatmig. So von der Aufmachung her hatte es fast parallelen zum Mani Matter Streifen.
Am Schluss sieht man einfach die gebrochene Frau, der ihr Übereifer wohl zum Verhängnis wurde. Fragt sich nur: Was wird sie uns bleibendes hinterlassen? Oder wird man sie einfach vergessen?Mehr anzeigen


jeo

vor 21 Jahren

Kritik an der Filmkritik:

Interessant, wie gewisse Ansichten in unserer Gesellschaft immer weiter tradiert werden, insbesonndere wenn es um Tabuthemen geht, so auch in der Filmkritik zum Film über Elisabeth K. R.:

... da man heutzutage weiss, dass mit dem Hirntod eines Menschen nichts von seiner Persönlichkeit übrig bleibt.

Ueber diese "Gwissheit" nachzudenken lohnt sich, bestimmt nach dem obigen Film!Mehr anzeigen


apra

vor 21 Jahren

Der Film über das Leben und Schaffen von Elisabeth Kübler-Ross hat mich tief beeindruckt und berührt. Ich kann den Film allen wärmstens empfehlen und das vor allem auch jüngeren Generationen, denn nicht nur der Tod wird in den Mittelpunkt gestellt sondern vielmehr auch die Kraft des Lebens.Mehr anzeigen


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