CH.FILM

Das letzte Versteck Deutschland, Polen, Schweiz 2003 – 90min.

Filmkritik

Tod, Trauer und Triumph

Filmkritik: Eduard Ulrich

Wo bringe ich meine beiden erwachsenen Töchter in Sicherheit, mag sich der polnisch-jüdische Arzt gefragt haben, als die Nazis 1941 seine Frau ermordeten. Sein brillanter Einfall: Er schickt sie als Zwangsarbeiterinnen in die Höhle des Löwen nach Deutschland.

Die bildhübsche, begabte und blonde Eva (Johanna Wokalek) und die von der Natur weniger glücklich bedachte Irene (Agnieszka Piwowarska) sind Schwestern einer polnisch-jüdischen Arztfamilie und gerade erwachsen geworden. Doch die Zukunft sieht düster aus. Die Nazis haben Polen zur Hälfte besetzt und machen Jagd auf die Juden. Gleichzeitig werden Arbeitskräfte für den Einsatz in Deutschland zwangsrekrutiert - nur wenige melden sich freiwillig. Da kommt der Vater auf eine geniale Idee: Wo wären seine Töchter besser aufgehoben als mitten im vom Krieg verschonten Feindesland, getarnt als unverdächtige, freiwillige Hilfsarbeiterinnen?

Schwierig ist allerdings das Verhältnis zwischen den Schwestern: Irene fühlt sich benachteiligt und begehrt gegen die ältere, bevorzugte Schwester auf. Jetzt müssen beide eine Schicksalsgemeinschaft bilden und sich ihre großen Unterschiede zum Vorteil machen. Es geht ums Überleben, Rivalitäten haben keinen Platz mehr. In der folgenden Odyssee bleibt den Schwestern fast nichts erspart, und ihre Beziehung wird einer Zerreißprobe unterzogen, die sie mehrmals bis an die Grenze strapaziert. Stärker noch als ihre Beziehung leiden allerdings die beiden Schwestern selbst und ihre Zwangsmitarbeiterinnen.

Wir kennen ihr Schicksal so genau, weil sie heil davonkamen. Eva heisst in Wirklichkeit Ida Fink und machte ihre Erlebnisse zur Grundlage des Romans "Die Reise", der die Basis des Films bildet. Der erfahrene Regisseur Pierre Koralnik konnte nach der Lektüre des Buches mit der Autorin persönlich sprechen und kam zum Schluss, dass das Schicksal der polnischen Zwangsarbeiterinnen bisher filmisch nicht aufgearbeitet worden war, dass dies aber nötig und verdienstvoll sei.

Unglücklicherweise standen ihm aber nur 27 Dreh- und Produktionstage und kein Geld für aufwendige Bauten und Ausstattung in historischem Gewand zur Verfügung. So kann man nur den Hut vor seiner Courage ziehen, unter diesen eigentlich unmöglichen Bedingungen ein derart ambitiöses Projekt gewagt zu haben.

Wenn das Resultat nicht überzeugt, dann weniger wegen der sichtbaren Folgen dieser Budget-Einschränkungen als vielmehr wegen mangelhafter schauspielerischen Leistungen, Dies gilt sowohl für die Haupt- als auch die Nebenrollen, von denen eine mit Nina Hagens Tochter Cosma Shiva besetzt ist. Auch die wenig einfallsreiche Inszenierung und lineare Dramaturgie beleben das Geschehen zu wenig.

Leider wird der Mitleidsbonus durch plakatives Jammern, permanentes Parolendreschen ("alles wird gut"), plumpes Belehren ("Juden sind auch Menschen") und simpler Schwarzweißmalerei schnell aufgebraucht. Die Figuren bleiben platt, und es fällt schwer, eine emotionale Beziehung zu ihnen aufzubauen, obwohl man selbverständlich auf ihrer Seite steht.

Gelungen sind dagegen die konsequent in tristen Farben gefilmten Bilder. Einzig der Anfang mit verschwommenen Eindrücken aus Israel und die letzte Szene, in der ein alliierter Jadgflieger ein Ausflugsschiff auf dem Rhein völlig unnötigerweise (und historisch auch wenig plausibel) angreift und ein Blutbad unter Zivilisten anrichtet, passen nicht dazu. Schade, dass für dieses brisante Thema nicht mehr Zeit, Geld und Sorgfalt aufgewandt werden konnten.

19.02.2021

3

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