Blue Gate Crossing Frankreich, Taiwan 2003 – 85min.

Filmkritik

Erwachsenwerden in Taiwan

Filmkritik: Senta van de Weetering

"Der Sommer ist bald vorbei, und ich habe gar nichts gemacht", stellt Shihao fest. Seiner Freundin Kerou ergeht es ähnlich. Keinen Schwimmwettbewerb gewonnen, kein Stipendium für die Universität errungen. Und doch sind beide nicht nur einander, sondern vor allem sich selbst in den Monaten, von denen der Blue Gate Crossing erzählt, ein gutes Stück nähergekommen. Ein ungewöhnlicher taiwanesischer Film über das Erwachsenwerden.

Das Werk von Yee Chih-yen ist der dritte von sechs Spielfilmen verschiedener Regisseure, die "Tales of a Changing China", so der Titel des gesamten Projektes, erzählen sollen. In der Schweiz ebenfalls zu sehen war bisher "Beijing Bicycle". Chih-yen entführt das Publikum nun nach Taipei, die Hauptstadt Taiwans.

Die beiden Schülerinnen Kerou (Lun-mei Guey) und Yuezhen (Shu-hui Liang) machen gemeinsam, was man gemeinsam machen kann. Die beiden Teenager besuchen dieselbe Schule, schwänzen den Sportunterricht zusammen, verkleiden sich, tanzen, streifen abends mit dem Fahrrad durch die Stadt und träumen von der Zukunft. Während Kerou keine Ahnung hat, was diese bringen soll, erträumt sich Yuezhen eine Familie mit dem allgemein beliebten Shihao (Bo-lin Chen) als Mann. Der weiss allerdings nichts davon, dass Yuezhen ihn seit Jahren anbetet. Deshalb schickt sie Kerou vor, sie solle den Kontakt herstellen.

Damit allerdings löst sie ein Missverständnis aus: Shihao glaubt nicht an die Existenz von Yuezhen, sondern ist überzeugt, dass Kerou es ist, die sich für ihn interessiert. Er seinerseits findet durchaus gefallen an dem staksigen Mädchen und beginnt, ihr durch die Stadt zu folgen. Ihr kommt dies nicht ganz ungelegen. Nicht, weil sie sich selber in ihn verliebt hätte, sondern weil sie so endlich einen Jungen küssen kann. Dies, hofft sie, werde ihr helfen, über ihre leidenschaftlichen Gefühle für Yuezhen hinwegzukommen.

In der Folge entwickelt sich ein an Intensität ständig zunehmendes Aufeinander-Zu und Von-einander-Weg, in dessen Verlauf Shihao und Kerou sich selbst und einander gegenseitig entdecken. Immer weiter führt Regisseur Yee Chih-yen seine Protagonisten und das Publikum weg von allen Beziehungs-Schemata, die für eine junge Frau und einen jungen Mann bereitstehen. Immer neu müssen die beiden ihre Beziehung definieren, ohne doch selber richtig zu wissen, was sie von einander erwarten. Zu Beginn wiederholt Shihao nur die stereotype Selbstbeschreibung "Shihao, Maturaklasse 975, Gitarrenspieler, Schwimmclub", und auf Kerous mehrfach gestellte Frage, was er von ihr wolle, kann er nur etwas unbeholfen antworten: "Mit dir gehen." Genauso wenig weiss sie eine Antwort auf seine Fragen, und entsprechend langweilig wird das erste Date. Als beide sich jedoch von der Vorstellung lösen, dass sie sich als Liebespaar begegnen müssen, finden sie einander und lernen dabei, sich selber differenzierter zu beschreiben.

Yee Chih-yen begleitet seine Protagonisten mit offensichtlicher Zuneigung durch die volle Stadt und die leeren Räume eines nächtlichen Hallenbades oder einer verlassenen Schulaula und schafft eine wunderbare Coming-of-Age-Geschichte, die viel über Taipei und über das Erwachsenwerden erzählt.

07.06.2021

4.5

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Kommentare

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monsdelion

vor 20 Jahren

sorry taiwaneisch, nicht südkoreanisch.


monsdelion

vor 20 Jahren

blue gate crossing ist ein teenager-film der feinen zwischentöne. cool sind sie, die protagonisten. aber sie wirken seltsam unterkült, bis eigenartig autistisch. grosses geschieht manchmal auch ohne worte. trotzdem scheint der rhytmus des films für westliche wahrnehmungsverhältnisse doch etwas sehr lasch - insbesondere für einen teenager-film. die stärke liegt in den kleinen dingen: der ausgestaltung des outcomings und dem versöhnlich nonchalenten schluss.
bedingt empfehlenswert.Mehr anzeigen


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