Wilbur Wants to Kill Himself 2002 – 111min.

Filmkritik

Ewig lockt der Tod, stets siegt das Leben

Filmkritik: Irene Genhart

Lone Scherfigs ("Italian for Beginners") fünfter Kinofilm ist eine schwarzhumorige, aber sehr menschliche Tragikkomödie um ein ungleiches Brüderpaar und die Liebe.

Wilbur könnte das Leben locker nehmen. Er sieht - gespielt von Jamie Sives - gut aus, ist charmant, die Kindergartenkinder lieben ihn und auch die Frauenherzen fliegen ihm nur so zu. Doch Wilbur ist ein geborener Pessimist. Zudem hat er in seinem Leben schon etliches Ungemach erlebt, eingeschlossen den frühen Tod seiner Mutter, an dem er sich in kindlicher Naivität bis heute schuldig glaubt.

Also versucht Wilbur seinem Leben das ein ums andere Mal ein Ende zu setzen. Dass der Titelheld aus Lone Scherfigs erstem englischsprachigen Kinospielfilm noch immer unter den Lebenden weilt, verdankt er einzig seinem älteren Bruder Harbour (Adrian Rawlins). Dieser ist Wilburs pures Gegenteil. Er besitzt ein ausgesprochen feines Sensorium für die Todesversuche des Bruders und rettet ihm ein ums andere Mal das Leben.

So auch zum Auftakt von "Wilbur Wants to Kill Himself", als Wilbur nach dem Tod seines Vaters nicht nur Tabletten schluckt, sondernden Kopf sicherheitshalber auch noch in den Gasbackofen steckt: Bezüglich Selbstmordtechniken nimmt Scherfig kein Blatt vor den Mund. Was nicht irgendwann direkt vorgeführt wird, kommt zumindest in den gruppentherapeutischen Gesprächen zur Sprache - wer solches nicht ertragen kann, dem ist von diesem Film abzuraten.

Obwohl: So schlimm ist das gar nicht mit dem Sterben und Sterben-Wollen: Zumindest die Suizid-Cracks, die wie Wilbur alle paar Wochen in der Klinik landen und dann in der Gruppe mit ihren neusten "Heldentaten" prahlen, finden darin ein schon schier perverses Vergnügen und lassen die Zuschauer daran launigst teilnehmen.

Klinik-Psychologe Horst - herrlich: "Open Hearts"-Held Mads Mikkelsen als melancholischer Arzt - will nun aber Wilburs krankem Treiben ein Ende setzen. Er droht dem Wiederholungstäter an, ihn das nächste mal nicht mehr in die Klinik aufzunehmen und verschreibt ihm zur Besserung eine Freundin. Doch dann ist es Harbour, der sich verliebt. So erweitert sich die brüderliche Schicksalsgemeinschaft um die schusselige Alice (ewig verschlafen: Shirley Henderson), und deren achtjährige Tochter Mary. Irgendwann verguckt sich Wilbur in seine Schwägerin, doch noch bevor der Konflikt richtig aufflammt, verschreibt das Drehbuch Harbour todbringenden Krebs.

Nein, schön und moralisch sauber ist diese Geschichte, in der Wilbur letztendlich auf Kosten seines Bruders seine Lebensfreude und gar sein Glück findet, eigentlich nicht. Doch Lone Scherfig besitzt ein ausgesproches Feingefühl für die Balance zwischen Leben und Tod, Kummer und Glück. Sie stimmt in "Wilbur Wants to Kill Himself" eine unsentimentale - und mitreissende - Ode ans Leben an, die vor allem dank dem grossartigen Spiel der Hauptdarsteller zu überzeugen vermag.

So witzig wie "Elling", so einfühlsam wie "Kira" und so menschlich wie "Open Hearts" ist Lone Scherfigs fünfter Kinofilm. Im Geiste des Dogma-Manifests geboren, doch mit sichtlich mehr Aufwand umgesetzt - im Prinzip Post-Dogma-Kino: bis zum Wehtun allem was Menschlich ist verschrieben, gleichzeitig aber augengefällig fotografiert.

22.03.2012

4

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Kommentare

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t1bur0n

vor 17 Jahren

Der Plot der Geschichte ist zwar relativ banal und das Thema "Tod" schreckt vielleicht noch zusätzlich ab. Doch "Wilbur Wants to Kill Himself" ist keinesfalls ein dunkles und betrübtes Drama. Im Gegenteil, die Geschichte ist so verdreht und das Thema wird mit soviel Humor angebpackt, dass man keinesfalls Angst haben muss, man würde Tränen weinen bei diesem Film.
Trotzdem geht die Geschichte teilweise unter die Haut.
Ein Film mit viel Gefühl, aber doch nie kitschig, mit viel schwarzem Humor und Ironie und vorallem mit hervorragenden schauspielerischen Leistungen.Mehr anzeigen


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