CH.FILM

Von Werra Deutschland, Schweiz 2002 – 103min.

Filmkritik

Abenteuerer

Filmkritik: Eduard Ulrich

Werner Schweizer hebt nach "Noël Field - der erfundene Spion" mit "Von Werra" - der erfundene Held, ist man versucht hinzuzufügen - einen weiteren Schatz historisch absurder Konstellationen und nutzt die Stärken des Sujets überzeugend: Abenteuerlicher Held von Werra, sympathischer Darsteller Krüger, dramatisches Zeitgeschehen vor und im 2. Weltkrieg und visuelle Attraktivität der Fliegerei.

Das Geschwisterpaar Franz und Emma wächst in Nazi-Deutschland auf. Er steigt zum gefeierten Jagdflieger auf, sie unterstützt ihn als Mutter, Schwester und Geliebte, wie er sie in einem Brief bezeichnet. Was beide zunächst nicht wissen: Sie sind adoptiert und stammen aus Leuk im Wallis. Anfangs sieht der Wechsel von einer verarmten Schweizer Familie zu einem wohlhabenden, kinderlosen deutsch-jüdischen Ehepaar nach dem Großen Los aus. Das Verhängnis kündigt sich an, als auch die Adoptivfamilie verarmt und die Nazis sich anschicken, Europa umzukrempeln.Franz ist schon früh aufmüpfig und wählt auch später mehr als einmal die Flucht, um sich einengenden Verhältnissen zu entziehen. Die Scheidung der Adoptiveltern lässt einen jungen Burschen ohne ausreichende Schulbildung und seine drei Jahre ältere Schwester beinah auf der Strasse landen. Kein Wunder, dass der von moderner Technik faszinierte Franz rasch in einer Ausbildungsstätte für Jagdflieger der Nazis andockt. Seine Schwester bleibt beim Bodenpersonal und verdingt sich als Sekretärin, während sie sich nebenbei der Erforschung ihrer Herkunft widmet - ausgelöst durch den für Franz' Offizierslaufbahn benötigten Ariernachweis.

Franz' Aufstieg und Fall zu verfolgen bleibt bis zum Schluss spannend, weil die Handlungsstränge und Bilder geschickt verflochten sind. Kommentar, Fotografie, Ausschnitte aus Dokumentarfilmen und dem Spielfilm "The One That Got Away" über ihn sowie Interviews mit Verwandten, Kameraden, seinem filmischen Double Krüger und anderen Beteiligten verleihen dem historischen Geschehen eine gegenwärtige Lebendigkeit. Sehr amüsant beispielsweise, wie eine seiner Schwestern die endlosen Versuche ihres Vaters kommentiert, durch sinnloses Beten die finanzielle Misere zu kurieren. Oder die unfreiwillige Komik sich widersprechender Einschätzungen ehemaliger Jagdfliegerkollegen, von denen sich manche durch ihre Wortwahl entlarven, bei anderen eindrucksvolle Bilder nachhelfen: Krieg als Sport? So lernen wir nebenbei auch seine zwei Familien, das Dorf Leuk, seine Kameraden, Hardy Krüger und die Geschichte "seines" Spielfilms kennen. Ein kurzweiliges Panorama!

01.06.2021

4

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Kommentare

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michou

vor 21 Jahren

Das muss ich analog unserer gutschweizerischen Ricola-Manier fragen. Die Geschichte wurde nämlich nur dank der unermüdlichen Nachforschung und dem Spürsinn eines Wallisers Namens Wilfried Meichtry überhaupt wieder zu einem Thema. Er hat nämlich im Rahmen seiner Doktorarbeit der Geschichte vor ca. einem Jahr die Biografie der Von Werras veröffentlicht. Es ist doch anzunehmen, dass der Film nun auf diesem Buch basiert!?Mehr anzeigen


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