Små ulykker - Kleine Missgeschicke Dänemark, Schweden 2002 – 109min.

Filmkritik

Verlust der Mitte

Filmkritik: Andrea Bleuler

Nach "In the Bedroom", "Sous le sable" und "La Stanza Del Figlio" bringt nun auch ein Film aus dem Dogma-Land Dänemark die Post-Todesfall-Phase in einer Familie zur Sprache. Die Regisseurin Anette K. Oleson hat aus diesem Stoff keinen anstrengenden Problem-Film gemacht, sondern einfach Reaktionen verschiedener Familienmitglieder gesammelt.

Ulla (Vigga Bro) wird durch einen Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen. Für die hinterbliebenen Familienmitglieder bedeutet der Verlust in erster Linie Verwirrung. Als ganz regulär kommunikationsgestörte Familie können sie sich auch nicht gegenseitig trösten oder zur Seite stehen. Zu verwandt sind sie, um sich überhaupt wahrzunehmen.

Die drei erwachsenen Kinder gehen sich gegenseitig auf die Nerven. Gleichzeitig ist jeder einzelne von ihnen nun unausweichlich mit seinen eigenen Problemen konfrontiert: Die schräge Tochter Eva (Jannie Faurschou), Künstlerin und Egomanin, erprobt das WG-Leben mit einer anderen Künstlerin. Sohn Tom (Henrik Prip), erfolgreicher Bauunternehmer und Workaholic, steckt in einer Beziehungskrise. Das Nesthäckchen Marianne (Maria Würgler Rich) versucht sich mit Ende zwanzig zum ersten Mal in Liebesdingen.

Auch bei der älteren Generation sieht es nicht unproblematischer aus. Ullas Mann John (Jorgen Kill) pachtet die jüngste Tochter als Ehefrau-Ersatz. Sein Bruder Soren (Jesper Christensen), invalid und arbeitslos, wird von seiner Frau betrogen und tröstet sich, in dem er vier Zigaretten gleichzeitig raucht.

Die Regisseurin folgt den Einzelschicksalen der Hinterbliebenen, ohne Position zu ergreifen oder auf der Trauer herumzureiten. Komische, absurde Momente finden in ihrem Film ebenso Platz, wie wenig nachvollziehbare Heulkrämpfe oder das Geständnis, überhaupt nicht traurig zu sein. Deutlich formuliert wird hingegen, wie Ich-bezogen der Verlust eines Familiemitglieds verarbeitet wird - als ob Selbstmitleid mit Trauer gleichzusetzen wäre.

Realismus ist in "Minor Mishaps" Programm: Anette K. Oleson hat ihren Kino-Erstling mit einer Improvisationstechnik nach Mike Leigh inszeniert und auf Digital Video gedreht. Aus Lars von Triers Produktionshaus Zentropa kommt dieser verdächtig Dogma-ähnliche Film. Zwar wirkt die kaleidoskopische Problemschau - wenn auch durch flüssige Dialoge erzählt - oft allzu real zerfranst, um auf der Leinwand attraktiv zu sein. Doch sind es die brillanten Schauspieler, die dem Publikum den Zugang zu diesen eher unsympathischen Charakteren verschaffen und das Projekt schliesslich retten.

18.05.2021

3

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