Noi Albinoi Dänemark, Deutschland, Island, Grossbritannien 2003 – 93min.

Filmkritik

Weisses Gefängnis

Filmkritik: Remo Bräuchi

Im hohen Norden hat mans nicht leicht im Winter. Island schickt uns dazu die mehrfach preisgekrönte Geschichte eines Teenagers, der sich mit sprödem Charme durchs Leben und den Schnee schlägt.

Der 17-jährige Noi lebt in einem kleinen Kaff an der isländischen Westküste. Im tiefen Winter ist der Ort Bolungarvik das sprichwörtliche Ende der Welt. Die Grossmutter, bei der Noi lebt, hat kapituliert und sich in ihre eigene Welt zurückgezogen. Sein betrunkener Vater, der sich selber mehr schlecht als recht durchs Leben kämpft, fährt seinen Sohn allenfalls gelegentlich in seinem Taxi zur Schule, wenn Noi wieder einmal spät dran ist. Denn der Schule kann Noi gar nichts abgewinnen. Viel lieber manipuliert er den Glücksspielautomaten an der lokalen Tankstelle, von dessen Erlös er sich Malzbier kauft. Dieses trinkt er dann in einer kleinen Kammer unter dem Kellerboden, die nur durch eine sorgsam verdeckte Falltür zu erreichen ist. Derweil das Leben langsam an ihm vorbeizieht.

Seit Iris in der Gaststätte der Tankstelle kellnert, hängt Noi auch öfter mal etwas länger im Lokal herum. Aber auch die Liebe macht im tief verschneiten Island die Welt nicht grösser. Noi, der zum ersten Mal so etwas wie eine Perspektive sieht, wähnt sich in Gedanken bereits mit Iris in Hawaii. Doch mit seiner Weigerung, sich an jegliche Regeln zu halten, manövriert er sich selber zusehends ins Abseits.

Islands Klima muss ein kreatives sein. Von der Insel im Norden kommen mehr Filme zu uns ins Kino als aus manch anderen grösseren und filmspezifisch produktiveren Ländern. Regisseur Dagur Kári, wenn er nicht grad Filme dreht, ist denn nebenbei auch Mitglied einer Band, die in Island bereits zwei Alben veröffentlicht hat.

In seinem ersten Spielfilm beweist Kári eine beeindruckende Fähigkeit, Rhythmus und Stimmung eines aussergewöhnlichen Lebens in Bilder umzusetzen. Die karge, hypnotische Schönheit von "Noi Albinoi" wirkt immer auch erdrückend, und das konsequent langsame Tempo des Films lässt erahnen, wie lange ein Winter sich anfühlen kann, wenn drei Stunden Sonne pro Tag den einzigen Lichtblick darstellen.

Doch Stimmung kann nicht alles sein. Die einfache Handlung, so wird nach einer Weile klar, vermag den Film nicht über 90 Minuten zu tragen. Umso mehr, als Káris schräger Humor (der Regisseur ist ein grosser Fan der Simpsons) leider meist auf Kosten der Nebenfiguren geht. Diese sind am Ende doch zu zweidimensional gezeichnet, um wirklich Mitgefühl aufkommen zu lassen.

Trotzdem ist "Noi Albinoi" das durchaus interessante Debüt eines jungen Regisseurs, von dem hoffentlich in Zukunft noch mehr zu sehen sein wird.

10.11.2020

3

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Kommentare

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jchb

vor 20 Jahren

Diesen Film finde ich ergreifend. Ich liebe diese Art von Filmen. Speziell berührt mich, wenn die Szenen nicht wie vermutet weiterentwickeln, was in diesem Film öfters vorkommt. Das schlichte Ende liess mich noch bis zum Ende des Abspannes sitzen und sinnieren.


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