Das Windpferd 2002 – 85min.

Filmkritik

Ein ungleiches Paar reist zu seiner seelischen Fata Morgana

Filmkritik: Eduard Ulrich

Was kann zwei Menschen verbinden, die gegensätzlicher kaum sein könnten? Der marokkanische Regisseur und Physiker Daoud Aoulad-Syad erzählt uns die wunderbare Geschichte von Taher und Driss in einem anrührenden Road-Movie aus dem modernen Marokko, in dem es keine Kamele mehr gibt - höchstens menschliche. Dabei gewinnen wir einige wesentliche Einsichten in unser Dasein.

Lethargisch hockt Taher am Meer, im Café oder zu Hause bei seinem Sohn. Er ist pensionierter Hufschmied, weiß nicht so recht, was er mit seiner Zeit anfangen soll, lebt mehr in seiner Erinnerung und fühlt sich in der Familie seines Sohnes überhaupt nicht wohl. Seine Schwiegertochter ist ein Drachen, versucht ihn zu überwachen, ihm Vorschriften zu machen und zankt häufig mit ihrem Mann.

Da beschließt er, sich auf die Reise zum Grab seiner letzten Frau zu machen. Er hat sich nicht nur ein warmes Andenken an diesen geliebten Menschen bewahrt, er trauert auch der gemeinsamen Zeit nach, in der er einst glücklich war wie nie sonst. Ob das wohl gut geht, wenn sich ein alter Mann allein auf eine mehrere hundert Kilometer lange Reise quer durch Marokko macht? Prompt bleibt der Autobus mit einer Panne in der Wüste liegen. Ein junger, ungeduldiger Mitreisender sucht das Gespräch mit Taher, der zunächst abwehrt. Doch der lebhafte Driss schafft es, ihn aufzutauen, und gemeinsam nehmen sie die nächste Etappe in Richtung Casablanca in Angriff.

Die Ungeduld von Driss ist begründet: Er hat von seiner schwer kranken leiblichen Mutter, die ihre Familie früh verlassen hat, einen Brief erhalten, in dem sie ihn um einen Besuch vor ihrem Tod bittet. Beide sind also in einer Mission unterwegs, die aber verschiedener kaum sein könnte: Hier der introvertierte alte Mann, der an einen imaginären Ort seiner Seele zurückkehren will; dort der extravertierte junge Mann, der ein Rätsel aus seiner noch kurzen Lebensgeschichte lösen möchte.

Die ruhigen Einstellungen des marokkanischen Regisseurs, Physikers und Fotografen Daoud Aoulad-Syad sind klar, konzentriert und sauber komponiert. Auch farblich wunderbare Bilder schlagen uns in den Bann der Landschaft Marokkos. Doch die wichtigsten Reisen passieren im Kopf. Es ist spannend und amüsant zugleich, wie Taher und Driss zu sich finden, sich gegenseitig eine Stütze sind und spüren, wie das Näherkommen des äußeren Ziels ihre Träume zu zerstören droht. Dabei werden essentielle Fragen abgehandelt: Was ist der Sinn meines Lebens, was bedeuten mir Familie, Freundschaft und Beruf, worin besteht Tolleranz? Auch das Publikum kann sich beim Beantworten beteiligen und verlässt den Saal ein bisschen weiser.

05.02.2003

4

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