In America Irland, Grossbritannien, USA 2002 – 106min.

Filmkritik

Do you believe in Magic?

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Im semibiographischen Film "In America" erzählt Regisseur Jim Sheridan davon, wie eine irische Familie sich 1982 in den USA durchzuschlagen versucht und dabei dem Zauber Manhattans erliegt.

Schon der Eingangssong ist programmatisch: Da plärren aus dem Autoradio die Lovin’ Spoonful "Do you believe in Magic?", während sich die irische Familie Sullivan frohgemut aufmacht, mit einem Touristenvisa von Kanada aus New York zu erobern. Sarah (Samantha Morton) und Johnny (Paddy Considine) sowie ihre kleinen Töchter Christy (Sarah Bolger) und Ariel (Emma Bolger) sind ohne Zweifel auf dem direkten Weg ins Paradies. Wie hunderttausende Iren vor ihnen glauben auch sie an die Chance, welche die USA für sie bereithält.

Von Magie ist dann in der ersten Zeit in Manhattan allerdings wenig zu spüren. So fehlen Geld und Schauspieler-Jobs für Johnny, und die Familie logiert in einer üblen Wohnung im übelsten Mietshaus in einer noch übleren Gegend. Zudem lastet unausgesprochen ein Fluch über den beiden Eheleuten: Noch in Irland starb der kleine Sohn Frankie, ein Ereignis, das vor allem dem Vater zu schaffen macht und die Mutter mit Schuldkomplexen belastet.

Im Gegensatz dazu befinden sich die beiden kleinen Töchter ständig auf Entdeckungsreisen, die jeden Tag neue aufregende Überraschungen bringen. Junkies, Emigranten und brotlose Künstler bevölkern das Quartier, welches den beiden Kindern weniger als Elendsviertel, sondern vielmehr wie ein Märchenland erscheint. Und nachdem die beiden an Halloween im unteren Stock ihres Mietshauses den verschlossenen afrikanischen Maler Mateo (Djimon Hounsou) entdeckt haben, ist da auch ein Freund, der in ihr magisches Universum passt.

Jim Sheridan beschreibt - zusammen mit seinen Töchtern, die ihm als Drehbuch-Autorinnen assistierten - die semi-authentische Geschichte des Behauptungskampfes seiner Familie in New York. Dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zugeht, dass Magie eine wichtige Rolle spielt, hat nach Sheridans Bekundungen mit seiner eigenen Lebensgeschichte zu tun, die ihm zeitweise wie ein Märchen vorgekommen sei. Wie anders sollte man einen Aufstieg bezeichnen, der ihn, den mittellosen irischen Schauspieler, 1989 gleich mit seinem ersten Film ("My Left Foot") in die Liga der Oscarfilmer führte?

Dabei vermeidet Sheridan aber jede billige Romantisierung des Geschehenen. "In America" ist nicht die Erzählung eines gloriosen Aufstiegs, sondern vielmehr die Geschichte einer Rettung. Sheridan beschwört Menschlichkeit, die Fähigkeit, Vorurteile zu überwinden, neugierig zu bleiben und an Wunder zu glauben. Das ist es, was das schwierige Leben der Sullivans zu einem mit Ach und Krach erfüllten machte. Friede und Krieg, Geburt und Tod, Hass und Liebe, Gesundheit und Krankheit, Dichtung und Wahrheit - all dies sind Gegensätze, die doch oft näher beieinander liegen, als man denkt. Sheridans Film lebt von diesen Oppositionen. Wundersam vereint, bilden sie dabei das Fundament für ein einziges Fest des Lebens.

10.11.2020

3.5

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 8 Jahren

Ein film, der bestimmt nicht leicht verdaulich ist: leben geht, leben kommt. Aber auch, dass sich keiner einfach all seinen illusionen hingeben darf


güx

vor 20 Jahren

Die ganz leichte Kost ist es nicht, was einem hier serviert wird. Der Film hebt sich dadurch wohltuend von Blockbustern jeglicher Art ab. Als ich das Kino verliess, standen mit die Tränen zuvorderst, obwohl In America positiv endet. Der Film mit seinem absolut grandiosen Cast berührt einen sehr; die Familie wächst einem richtig ans Herz und man fiebert mit ihnen mit (besonders in der E. T. -Szene), dass doch noch alles gut mögen werde. Hervorheben möchte ich die schauspielerische Leistung insbesondere des älteren Mädchens (gespielt von Sarah Bolger). Sie hat in ihrem jungen Alter eine derartige Präsenz wie es viele altgediente Schauspieler nicht haben und nie haben werden. Wirklich beeindruckend!
Im ganzen Film gibt es eine einzige Szene, die ein wenig abfällt: Die "Abrechung" von Sarah (der Ehefrau) mit ihrem Mann vom Krankenbett aus. Ich denke, die Verarbeitung des schweren Traumas hätte man einen Tick besser gestalten können; die Szene wirkt irgendwie aufgesetzt.
Fazit: In America ist ein Film, den man gesehen haben muss, denn er ist einfach absolut sensationell und sticht aus der Masse der "herkömmlichen" Filme heraus.Mehr anzeigen


Gelöschter Nutzer

vor 20 Jahren

Also bitte, lieber Gerhard. Das ist die Lebensgeschichte des Regisseurs (Jim Sheridan). Ist es Dir noch nie aufgefallen, dass das Leben selbst die verrücktesten, unglaublichsten, kitschigsten (und schönsten) Geschichten schreibt?


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