CH.FILM

Gambling, Gods and LSD Kanada, Schweiz 2002 – 182min.

Filmkritik

Trip der Sinnesorgane

Filmkritik: Sascha Lara Bleuler

Der Film "Gambling, Gods and LSD" wurde am diesjährigen Festival "Visions du réel" mit dem Grand Prix der Jury ausgezeichnet. Der kanadisch-schweizerische Doppelbürger Peter Mettler hat diese und viele weitere Auszeichnungen durchaus verdient, denn er lädt den Zuschauer mit seinem neuen Dok-Film auf eine unvergessliche Entdeckungsreise quer durch Raum, Zeit und die Psyche des Menschen ein und erschafft eine neue Dimension der Kinoerfahrung.

Angelegt ist der Film als dreistündiger Gegenwartstrip: In Toronto, dem Ort von Mettlers Kindheit, werden wir Zeugen einer religiösen Massenveranstaltung, das Monument Valley im Südwesten der USA lädt ein zum Bestaunen der geheimsten sexuellen Fantasien einer Pasta-Liebhaberin, weiter geht es durch die Schweiz, wo pingelige Sauberkeit und exzessiver Drogenkonsum herrschen, und in die Ferne nach Indien, wo Technologie und Spiritualität einander die Hand reichen. Wir begleiten Mettler auf seiner Reise mittels Flugzeug, Auto oder Schiff und staunen über so manche Wunder dieser Welt und der Menschheit: Visionen einer Jesusanbeterin, Heirat per Bungee-Jumping, Pudelrennen und Weisheiten des LDS-Entdeckers Albert Hoffmann. Zentrale Themen des Menschseins scheinen sich herauszukristallisieren bevor sie sich wieder im Bilderfluss verlieren: der Wunsch nach Rausch und Transzendenz, die Verleugnung des Todes, Sehnsucht nach Sicherheit, Suche nach Gott und Trost und nach den verlorenen Fähigkeiten des Kindes. Das Mosaik von einzelnen Stimmungen und Momentaufnahmen, von teils spektakulären, teils banalen Ereignissen wird durch meditative Naturaufnahmen und eindrückliche Musikeinlagen zu einem Ganzen verwoben.

Mit seiner visuellen Neugier gelingt es Mettler in "Gambling, Gods und LSD" sein organisches und halluzinatorisches Schaffen sowohl zusammenzufassen als auch zu erweitern. Der Film führt die Tradition von Kreationen weiter, welche sich jeglichen Klassifizierungsversuchen widersetzen und bewusst Grenzen sprengen. Mettler hat schon mit seinen vergangenen Werken gezeigt, wie geeignet das Medium Film ist, Intuition und Kontrolle, Fiktion und Realität verschmelzen zu lassen. Sein gesamtes Filmschaffen spiegelt diese Bandbreite der filmischen Möglichkeiten wieder: Experimental-, Spiel- und Dokumentarfilme, sowie die jeweiligen Mischformen füllen seine Filmographie. 1994 wurde sein bemerkenswerter Dok- Film "Picture of Light" fertiggestellt und von da an widmete sich Mettler ganz seinem neuesten audiovisuellen Filmtrip. Der Drehprozess dauerte fast zwei Jahre und die Arbeit am Schneidetisch nochmals nahezu vier Jahre. Das Sound Design von "Gambling, Gods and LSD" ist bemerkenswert: Die Symbiose zwischen Ton und Bild sowie deren harmonische Verbindung mit den Dialogen der interviewten Personen und Mettlers poetischem Voice-Over bilden einen Klangteppich, der nur so strotzt vor tontüftlerischer Genialität. Die Grenzen zwischen Originaltönen, Musikaufnahmen und Kompositionen sind oft nicht klar gezogen, wodurch der Höreindruck des Zuschauers gesteigert und die visuelle Ebene stimuliert wird.

Der Bilder- und Tonregen stellt feinsensorische Analogien zwischen so unterschiedlichen Phänomenen wie religiöser Verzückung, der Street Parade und erotischer Elektrostimulation her. Die gewählten Personen, Situationen und Orte werden aber nicht gegeneinander ausgespielt, sondern laden ein, oberflächliche Grenzen zu überwinden und sich bewusst zu werden über die Ähnlichkeiten, die in der Tiefe liegen. Man fühlt sich zurückversetzt in die Zeit des Kinos der Attraktionen: Verzückt und von vergessen geglaubtem kindlichem Staunen erfüllt, kleben unsere Augen und Ohren an der Leinwand, um sich an der filmischen Meditation zu ergötzen. Die Intensität der Filmerfahrung gleicht einer hypnotischer Sinneserweiterung, die Kamera ist Sensor und Zuhörer, die neugierig dem Bilderstrom folgt, mal zeitraffend rasend, mal fast stillstehend, sich leise vorwärts tastend. Entstanden ist ein feinsinniges Gebilde, welches den Zuschauer hypnotisch in seinen Bann zieht, aber gleichzeitig Raum lässt, den Film und seine Substanzen aktiv mitzugestalten. Ein Trip, der gut tut.



19.02.2021

5

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 19 Jahren

Was macht denn einen guten Film aus? Du musst es ja wissen, oder?


Gelöschter Nutzer

vor 21 Jahren

Wer nichts vom Filmemachen versteht, der soll’s lieber lassen.. Das Geld für den Kinoeintritt spart man sich besser!


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