Amandla! A Revolution In Four Part Harmony Südafrika, USA 2002 – 104min.

Filmkritik

Musikalische Geschichtsschreibung

Filmkritik: Daliah Kohn

Lee Hirsch vermittelt in seinem Dokumentarfilm einen Eindruck davon, wie wichtig die Musik für die südafrikanische Anti-Apartheid-Bewegung war. Zahlreiche Musiker wurden damals von der weissen Regierung gezwungen, ins Exil zu gehen. Bekannte ebenso wie bei uns unbekannte SängerInnen und AktivistInnen erzählen im Film von der Bedeutung, welche Musik für sie während Jahrzehnten im Kampf gegen die Unterdrückung hatte.

Vor genau zehn Jahren - im April 1994 - fanden in Südafrika die ersten freien Wahlen statt, an denen auch die schwarze Bevölkerungsmehrheit teilnehmen konnte. Nelson Mandela wurde zum ersten schwarzen Präsidenten der Republik gewählt. Erst vier Jahre zuvor war er nach 26 Jahren aus der Haft entlassen worden. An jenem Tag war in der Schweiz im Radio immer wieder der Song "Free Nelson Mandela" zu hören. Musik spielte in der Anti-Apartheid-Bewegung auch international eine wichtige Rolle. Unvergessen bleiben die riesigen Benefizkonzerte wie dasjenige 1988 im Londoner Wembley-Stadion zu Ehren von Mandelas 70. Geburtstag.

In "Amandla! A Revolution in Four-Part Harmony" erzählen MusikerInnen und AktivistInnen, wie bedeutungsvoll die Musik im Jahrzehnte langen Kampf gegen die Unterdrückung war. "Amandla!", Sinn gemäss "power to the people", lautete der Kampfruf gegen die Politik der Apartheid, welche die schwarze Bevölkerungsmehrheit aus dem gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben des Landes ausschloss. Öffentlich zu singen und Musik zu machen wurde so zum politischen Akt, den viele mit ihrem Leben bezahlten.

Andere mussten ihre Heimat verlassen, wie die späteren Stars Miriam Makeba, Hugh Masekela oder Abdullah Ibrahim, die von ihren schmerzvollen Erfahrungen im Exil berichten. Dank dem Erfolg ihrer Musik konnten sie ihre Kultur bewahren und einen Beitrag daran leisten, dass das Schicksal ihres Volkes nicht vergessen ging. Aber auch weniger bekannte Persönlichkeiten kommen zu Wort: Sophie Mgcina, eine der ersten Jazzsängerinnen Südafrikas, stimmt das Lied "Madam Please" an, in dem eine schwarze Hausangestellte stellvertretend für tausende Schicksalsgenossinnen ihre weisse Arbeitgeberin anklagt.

In den 70er- und 80er-Jahren wurden die Liedtexte entsprechend dem politischen Umfeld radikaler. Musik wurde zu einer von vielen Waffen im Kampf gegen die Regierung. Dazu gehörte unter anderem der monotone Toyi-Toyi-Gesang mit Stechschritt-artigen Tanzbewegungen, der während Grossdemonstrationen eingesetzt wurde und dessen einschüchternde Wirkung einige weisse Ex-Polizisten im Film schildern.

Neun Jahre lang hat der 1972 geborene US-Regisseur Lee Hirsch an seinem Dokumentarfilm gearbeitet. Er montierte Interviewszenen mit Zeitzeugen und Archivaufnahmen zu einer aufwühlenden Geschichtslektion. Der roten Faden durch diese "Oral History" Südafrikas zieht jedoch die Musik, dank der es gelingt, das Leid ebenso wie die die Wut der Beteiligten fühlbar zu machen. Und nicht zuletzt erweist Hirsch denjenigen Stimmen Referenz, denen es nicht gegönnt war, den Sieg über das Unrechtssystem mitzuerleben.

01.06.2021

4

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Kommentare

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arim

vor 20 Jahren

Dieser Film ist einfach genial!
Alle, die sich für das Apartheidregime und seine Folgen fürs Volk interessieren und Musik mögen, ist dieser Film Pflicht!
Sehr empfehlenswert!!!


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