The Navigators Deutschland, Spanien, Grossbritannien 2001 – 96min.

Filmkritik

Britische Realitäten

Filmkritik: Remo Bräuchi

Paul, Mick, Len, John und ihre Kumpel sind ein munterer Haufen. Alle arbeiten sie als Gleisarbeiter bei den britischen Bahnbetrieben in Sheffield, Nordengland. Bis die Bahnbetriebe an eine private Firma verkauft wird. Ein gewohnt ungeschminkter Blick von Ken Loach auf die Schattenseiten der Marktwirtschaft.

Eines Tages gibt’s British Rail nicht mehr, sie ist der Privatisierung zum Opfer gefallen. "Ihr seid jetzt keine Gleisarbeiter mehr sondern East Midland Infrastructure", erfahren Paul, Mick, Len und John an einer Orientierungsveranstaltung. Dazu gibt’s ein Video, das in höchsten Tönen von den Vorteilen der freien Marktwirtschaft schwärmt und eine neue Zukunft verheisst. Doch mit Begriffen wie Management und Zielvorgaben können die Kumpels nichts anfangen, sie haben ganz einfach ihren Job getan und Gleise geflickt, wo’s nötig war.

Die neue Firma bietet allen Beschäftigten eine grosszügige Abfindungssumme an, wenn sie von sich aus kündigen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Arbeitsplätze abgebaut werden. Während andere das Angebot annehmen und sich auf eine ungewisse Zukunft einlassen, hoffen Paul, Mick, John und Jim, dass sich der Sturm bald legen wird und sie wieder wie gewohnt ihrer Arbeit nachgehen können. Doch East Midland Infrastructure wird zu Gilchrist Engineering und mit dem regelmässigen Wechsel der Firmenschilder über dem Eingang steigt auch die Unsicherheit der verbliebenen Angestellten.

Zwischen 1994 und 1997 wurde British Rail in über 90 einzelne Unternehmen aufgeteilt. Die neuen Firmen standen unter Erfolgsdruck, über Jahrzente ausgehandelte Abkommen mit Gewerkschaften wurden nicht mehr länger akzeptiert. Arbeitskräfte wurden neu kurzfristig und nach Bedarf von Agenturen vermittelt. Schnell wird Effizienz wichtiger als Arbeitsbedingungen und Sicherheitsvorkehrungen. Gewünscht sind Arbeiter, die sich nach Zielvorgaben richten und über Sicherheitsmängel schweigend hinwegsehen.

Nach seinem bei Kritik und Publikum eher gemischt aufgenommenen Ausflug nach Los Angeles ("Bread and Roses") ist Regisseur Ken Loach nach Nordengland zurückgekehrt. Er fand mit Drehbuchautor Rob Dawber jemand, der wusste wovon er schrieb. Nach seinem Wirtschaftsstudium arbeitete Dawber über 18 Jahre bei British Rail und schrieb nebenbei für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Er selber ging mit seinen Erfahrungen auf Ken Loach zu, der von dessen Ideen begeistert war. Kurz vor Fertigstellung des Films starb Rob Dawber an Krebs, der durch Asbest auf Gleisen ausgelöst wurde. Aufgrund eines internen Rundschreibens wurde schliesslich bekannt, dass sich die Geschäftsleitung der Gefahren durchaus bewusst war, es aber als zu kostspielig ansah, das Asbest zu entfernen oder die Bahnarbeiter im Umgang damit auszubilden.

"The Navigators" ist eine ernsthafte Studie über Veränderungen am Arbeitsplatz und damit verbundene Konsequenzen. Wie üblich macht sich Ken Loach nicht viel aus dem Managment, sein Interesse gilt ganz klar jenen, die sich gegen die Veränderungen kaum oder gar nicht wehren können. Es ist denn auch fast ausschliesslich die Arbeitswelt, die der Regisseur als Schauplatz für seine Geschichte wählt, geschickt zeigt er uns nur in wenigen prägnanten Szenen das private Umfeld der Figuren. Die Parallelen zur aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt waren dabei sicher nicht vorhergesehen, geben dem Film aber einen beklemmenden Bezug zur Realität. Das Schauspieler-Ensemble ist – fast möchte man sagen: wie gewohnt in Filmen von Ken Loach – durchwegs beeindruckend. Und natürlich geschieht alles bei Loach auch immer mit sehr viel Humor, der zuweilen etwas einfach und vorhersehbar ist. Bleibt zu hoffen, dass der ernste Unterton von "The Navigators" darob nicht ganz verloren geht.

10.11.2020

3

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Kommentare

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eljay

vor 21 Jahren

I ha dr erschd teil scho gse u bi ganz gspannt ufe zwöit.. I hoffe er wird bessr aus ds eis. ¨
Halle Berry!!!!!!!!
James Marsden!!!!!!!!!!!


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