The Deep End USA 2001 – 99min.

Filmkritik

Die schimmernde Transparenz des Lake Tahoe

Björn Schäffner
Filmkritik: Björn Schäffner

Tilda Swinton ("The Beach") gibt in "The Deep End" eine weitere Kostprobe ihrer unheimlichen Leinwandpräsenz ab. Eine Liebesaffäre zwischen der schottischen Aktrice und der Kamera, zelebriert als Film noir in Natur pur.

Dieses Gesicht. Elfenhaft, von schier unbestimmbarem Alter. In schimmernder Blässe vibriert eine Unruhe, zuckt ein leises Flackern von Nervosität, wohnt eine kühle Scheu. Von porzellanhafter Verletzlichkeit ist es und gleichsam mit einer Ehrfurcht gebietenden Robustheit ausgestattet. An diesem Antlitz, das der schottischen Schauspielerin Tilda Swinton gehört, hätten wohl die flämischen Meister ihre helle Freude gehabt. Auch Derek Jarman muss von Swinton begeistert gewesen sein. Immerhin drehte das Enfant Terrible des britischen Film in den 80er und 90er Jahren eine Reihe von Filmen mit ihr, unter anderem das schwule Königsdrama"Edward II".

In "The Deep End" von Scott McGehee und David Siegel läuft Swinton in gewohnter Manier zu visueller Höchstform auf. Die Kamera taucht sie diesmal gewissermassen unter Wasser. Sie lauert ihr in Wassertropfen auf, beobachtet sie durch Aquarien oder lässt sie ins kühle Nass springen. Wasser ohne Ende: Die zentrale Metapher dieses Films findet im Lake Tahoe eine perfekte Entsprechung. Die geheimnisvolle Transparenz dieses Bergsees hat Kameramann Giles Nuttgens ("Fire") meisterhaft eingefangen. Seine kontrastreichen Bilder scheinen kein Verfallsdatum zu kennen; noch Tage nach dem Filmbesuch kehren sie in erstaunlich hoher Frequenz wieder.

Schon in der ersten Einstellung wird klar, dass der Haussegen der Familie Hall schief hängt. Margaret Hall (Tilda Swinton) bittet den dubiosen Clubbesitzer Darby Reese (Josh Lucas), ein für allemal die Finger von ihrem Sohn Beau (Jonathan Tucker) zu lassen. Wenig später findet Margaret den Liebhaber ihres Sohnes in unmittelbarer Nähe ihres Hauses tot auf. Das Unheil klopft nochmals an die Tür, als der "Homme fatale" Alek Spera (Goran Visnjic) die Familie zu erpressen versucht.

Ein Film noir in provinziellem Ambiente: Zur malerischen Bergwelt des Lake Tahoe stellen einige wenige Szenen in der Spielhölle Reno das einzige urbane Gegengewicht dar. Dass mit Sean Penns Dürrenmatt-Verfilmung "The Pledge" zurzeit ein weiterer Film mörderischen Inhalts vor exakt der gleichen Kulisse in den Kinos läuft, dürfte eine Laune des Zufalls sein. Zum Vergleich: Während schon Jack Nicholsons gemütliches Angeln im Lake Tahoe ein Gefühl von beklemmendem Suspense aufkommen lässt, will bei "The Deep End" der Funken in der Handlung irgendwie nicht rüber springen. Gelungen ist dem Tandem McGehee/Siegel gleichwohl ein atmosphärisch dichtes Stück, das auch eine subtile Bestandesaufnahme familiären Lebens ist. Die Einsamkeit der Frau, deren Mann als Marineoffizier seit Monaten auf See ist, springt förmlich von der Leinwand, wenn man Swinton zuschaut, wie sie die Wäsche zusammenlegt.

25.01.2021

4

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Kommentare

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stein

vor 21 Jahren

"The Deep End" ist ein absolut sehenswerter Film. Ganz unprätentios wird hier die Geschichte einer Mutter geschildert, die ihren Sohn vor polizeilichen Untersuchungen wegen Mordes schützen will. Dabei wird sie selber zur Verbrecherin.
Das perfide an der Sache ist aber, dass ihr Sohn gar keinen Mord begangen hat.Mehr anzeigen


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