Moulin Rouge Australien, USA 2001 – 127min.

Filmkritik

Orpheus und Eurydike im Pop-Cabaret

Björn Schäffner
Filmkritik: Björn Schäffner

Willkommen, bienvenue, welcome: Quietschvergnügt geht es zur vorigen Jahrhundertwende im berühmten Pariser Nachtklub Moulin Rouge zu und her. "Funkelnder Diamant" des Vergnügungstempels ist die Tänzerin Satine (Nicole Kidman), die im Nu in den Armen des Schriftstellers Christian (Ewan McGregor) liegt. In ausschweifenden Bildern zaubert Baz Luhrman ein Pop-Musical auf die Leinwand, das buchstäblich die Funken sprühen lässt.

1996 lieferte Regisseur Baz Luhrmann mit "William Shakespeare's Romeo + Juliet" eine der eigenwilligsten Adaptationen eines Shakespeare-Stoffs, die es je auf der Leinwand zu sehen gab. Indem er die Story aus dem mittelalterlichen Verona an die Venice Beach der Gegenwart verpflanzte und viktorianische Verskunst mit MTV-Ästhetik verquickte, schneiderte Luhrman der Tragödie ein zeitgenössisches Kostüm, mit dem sich ein jugendliches Publikum bestens identifizieren konnte. Wie bereits in seinem Debüt "Strictly Ballroom", das Luhrman 1992 zum internationalen Durchbruch verhalf, fiel der Musik dabei eine Rolle zu, die über ein herkömmliches Soundtrack-Dasein hinausging. Die Musik war ein Vehikel, auf dem sich die Charaktere durch die Story bewegten.

Luhrman und das Komponistenduo Craig Armstrong/Marius DeVries haben jetzt noch einen drauf gesetzt und gleich ein Musical in Szene gesetzt. Die Entwarnung vorneweg: Man muss kein Cats-Fan sein, um von "Moulin Rouge" begeistert zu sein. Denn selten ist eine tragische Liebesgeschichte - der Story liegt der Mythos von Orpheus und Eurydike zugrunde - derart einfallsreich und fulminant als Musical adaptiert worden. Der Clou: Etliche Meilensteine der Popmusik werden in musikalischen Potpourris virtuos miteinander verzahnt. Moderne Evergreens wie "All you need is Love", "I was made for lovin' you baby" und "Don't leave me this way" verschmelzen ebenso zu einem stimmigen Ganzen wie Marilyn Monroes "Diamonds are a Girl's best Friend" und Madonnas "Material Girl". Wahrhhaft Unerhörtes schöpft der Moulin Rouge-Direktor Zeidler (Jim Broadbent) aus einem weiteren Hit der Queen of Pop: Seine volleibige Interpretation von "Like a Virgin" ist schlicht und ergreifend phänomenal.

Visuelle Bescheidenheit ist die Sache von Luhrman nicht. Setdesign, Kostüme und visuelle Effekte lassen rund um das Pariser Cabaret einen opulenten Mikrokosmos entstehen, der die Rüschchenwelt des Cancan mit einer teils comicshaften, teils theatralischen Ästhetik verbindet. Jedenfalls war der Himmel über Paris seit "An American in Paris" nie mehr so schön kitschig anzusehen. Das Moulin Rouge als Tempel der überschäumenden Lebensfreude: Beschworden wird eine stilisierte Traumwelt, die gerade aufgrund ihrer überkandidelten Gesten authentisch und in sich schlüssig wirkt. Der Film besticht durch einen unverwechselbaren Stil, dem man auch einige Plattheiten nachsieht. Man wird indessen den Eindruck nicht los, dass die Drehbuchautoren (Craig Pearce / Baz Luhrman) gut daran getan hätten, auf die historische Künstlerfigur Toulouse-Lautrec (John Leguizamo) zu verzichten.

Der Teufel steckt letztlich im Detail. Etwa in jener Szene, in der die grüne Fee der Absinthe-Flasche entsteigt, im tiefvioletten Abendhimmel über Montmartre luftige Kapriolen zeichnet und flugs die Pariser Bohème in ihren alkoholischen Bann schlägt. Wenn der von Kylie Minogue verkörperte Flaschengeist ("la fée verte") gleich einer verruchten Zwillingsschwester von Tinkerbell (der Fee aus Disneys "Peter Pan") über die Leinwand schwirrt, ist das zweierlei: zärtliche Hommage und knuffender Seitenhieb zugleich.

19.02.2021

4

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Kommentare

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dulik

vor 5 Jahren

Ein sehr schönes Musical mit grandiosen Darstellern. Durch die lockere, witzige und schrille Art und Weise kommt die eigentlich ziemlich kitschige Liebesgeschichte überhaupt nicht so daher. Im zweiten Teil schafft es der Film dann auch ernstere Töne einzuschlagen. Auch die Optik und natürlich die Musik, welche in einem Musical nicht gerade unwichtig ist, überzeugen in voller Linie.
9/10Mehr anzeigen


julianne

vor 11 Jahren

Bestes Musical aller Zeiten Nicole und ewan ein Traum!!!! Buz Luhrman ist ein Genie!!!!


Urs23

vor 12 Jahren

Bildgewaltiges Drama


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