John Q USA 2001 – 116min.

Filmkritik

Verzweifelte Wut

Severin Müri
Filmkritik: Severin Müri

Denzel Washington lässt sich das miserable amerikanische Gesundheitswesen nicht einfach so gefallen. Denn es geht um das Leben seines Sohnes. Also mutiert er vom einfachen Fabrikarbeiter John Quincy Archibald zum Geiselnehmer und zugleich zum Helden der Nation. Viva Hollywood!

George Clooney als grüner Mann im OP, Al Pacino als knallharter Cop, Morgan Freeman als dessen Boss, Glenn Close als gefühllose Spitalmanagerin, Halle Berry als Johns Frau (wieder einmal hätte sie ihre grossartigen Heul- und Schreikünste unter Beweis stellen können) und Haley Joel Osment als herzkranker Junge, der ins Spital laufen und sagen würde: "I see sick people!" So hätte ein wahrer Blockbuster ausgesehen. Doch hätte er auch alle Budgets gesprengt. Daher entschied man sich bei New Line Cinema zu der billigeren Variante. Und gekommen sind sie alle, die Stars der zweiten Reihe: Robert Duvall, James Woods, Anne Heche und Ray Liotta (sieht man ihn, kennt man ihn). Aber immerhin ist der grosse Academy Award-Winner mit dabei: Denzel Washington in der Hauptrolle.

Während eines Baseball-Spiels bricht Johns Sohn Mike (Daniel E. Smith) zusammen. Niederschmetternde Diagnose: Ein schweres Herzleiden. Er braucht dringend eine Herztransplantation oder es bleiben ihm nur noch wenige Wochen zu leben. Kein Problem mag man jetzt vielleicht sagen: Mike auf eine Spenderliste setzen und dann warten wir mal. Doch halt, der Film spielt in den USA und da ist das Gesundheitswesen so katastrophal wie in Senegal die Wasserversorgung. Die Versicherung eines gewöhnlichen Fabrikarbeiters ist nicht bereit, die Kosten von einer Viertelmillion zu übernehmen. So müssen John Archibald und dessen Frau Denise (Kimberly Elise) selber die Anzahlung von 75'000 Dollar auftreiben, damit ihr Junge überhaupt auf die Spenderliste kommt. Andernfalls wird er seinem Schicksal überlassen, wie Spitalmanagerin Rebecca Payne (Anne Heche) erklärt. Klar versucht Archibald alles: Auto verkaufen, Farbfernseher verscherbeln, Gott anflehen, doch er kriegt einfach nicht genügend Geld zusammen. Schliesslich sieht er nur noch einen Ausweg: Wo Flehen und Bitten versagen, da hilft vielleicht eine geladene Knarre. John Archibald hält sie dem leitenden Herzchirurgen Dr. Turner (James Woods) an die Schläfe und verschanzt sich in der Notaufnahme. Natürlich ist diese bestens gefüllt mit lustigen Gesellen (unter anderem mit meinem Lieblingsschauspieler Ethan Suplee als sexy Wachmann). Schnell ist nebst einem Reporterteam auch Geiselspezialist Lt. Frank Grimes (Robert Duvall) vor Ort. Er scheint ein ganz netter Typ zu sein, doch leider ist da auch noch Polizeichief Monroe (Ray Liotta) und der steht unter gewaltigem Druck, weil Wahlen vor der Tür stehen. Das alte Lied eben. Und so nimmt das ganze Drama seinen Lauf. Ein Drama, in dem John Quincy Archibald zum Äussersten entschlossen ist.

"John Q" ist Hollywood pur. Der Film ist stellenweise unterhaltsam, besonders die Szenen in der Notaufnahme lockern das Action-Drama mit humorvollen Dialogen auf. Es gibt auf der anderen Seite allerdings auch etliche fragwürdige bis peinliche Szenen. Dann zum Beispiel, wenn eine freigelassene Geisel, die zuvor nur spanisch sprach, plötzlich mit einem glücklichen Lächeln den Kameras eröffnet: "John Q is a very good man, very good man". Das ist dann auch das Elend des Films: John Q. Archibald versucht gar nie böse zu sein. Die ganze Zeit spielt er den netten Kumpel – als würde er seine Mitmenschen mit einer Wasserpistole etwas necken. So kommt nie wirklich Dramatik auf. Und offensichtlich kicken die Geiseln sich lieber gegenseitig in die Genitalien als ihrem Geiselnehmer das Handwerk zu legen. Ärzte fluchen über das böse Sozialwesen und Menschenmassen feiern ihren neuen Helden. Archibald als David, der sich gegen Goliath erhoben hat.

Aber wer Hollywood mag, der lässt sich von derart kritische Aspekten kaum beirren und geniesst einfach die Unterhaltung. So gesehen ist der Film auch nicht wirkliche schlecht. Hollywood eben – mit all seinen kleinen unrealistischen Anwandlungen.

25.01.2021

3

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Kommentare

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movie world filip

vor 12 Jahren

kritikern hassten diese film, trotzdem interesante idee... wie weit gehst du als vater für das leben deines kindes


nikd

vor 17 Jahren

In diesem Film geht es in erster Linie nicht um Klein gegen Gross oder Arm gegen Reich. Es geht um ein moralisches Dilemma.

http: //arbeitsblaetter. stangl-taller. at/MORALISCHEENTWICKLUNG/KohlbergDilemmata. shtml


sminja

vor 18 Jahren

Der Film beginnt äusserts viel versprechend mit einem traurigen Thema. Doch dann wandelt er sich zum typischen Denzel-Washington Streifen (spielt er aus Prinzip immer in ähnlichen Filmen mit?). Das Leid der Menschen tritt in den Hintergrund und der Film wird zum Geiseldrama.


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