Home Sour Home Schweden 2001 – 98min.

Filmkritik

Hinter den Kulissen einer glücklichen Familie

Filmkritik: Remo Bräuchi

Einmal mehr kommt aus Skandinavien ein Film, der überzeugt. Ein schwieriges und mutiges Thema und glänzende Darsteller bewegen zum Nachdenken. „Home sour Home“ überzeugt ohne dominante Dogma-Ettikette, ganz für sich allein.

Kent und Sara leben mit ihrem Sohn Stefan in einer Kleinstadt irgendwo in Schweden. Ihr Haus haben Sie kurz nach Stefans Geburt selber umgebaut, am Wochenende fahren sie an den See, wo sie ein kleines Boot liegen haben. Kent ist stolz auf seine Familie und zeigt dies auch gern in der öffentlichkeit. Die perfekte Familie also? Nicht ganz, denn hinter der hübschen Fassade herrscht Krieg. Kent schlägt seine Frau und seinen Sohn. Sara, die eine andere Meinung vertritt als er selber, Stefan, der eine Mathematikaufgabe nicht lösen kann, dies reicht schon, um Kent ausrasten zu lassen. Weil er sie beide trotzdem liebt, entschuldigt er sich anderntags bei ihnen, doch in dem kleinen Haus herrscht eine gespannte Atmosphäre. Jedes Wort wird erst sorgfältig abgewogen, man schleicht auf Zehenspitzen durch die Zimmer, um Kent nicht aufzuwecken. Eines Tages, nach einer besonders schweren Prügelei, entschliesst sich Sara, Hilfe zu suchen. Eine Sozialarbeiterin kann sie dazu überreden, Kent zu verlassen und mit Stefan auszuziehen. Doch als sie nach Hause kommt, um zu packen, liegt Kent reglos auf dem Sofa, den Kopf unter einem Plastiksack. Stefan hat seinen Vater mit Schlaftabletten betäubt und dem Bewusstlosen den Sack übergestülpt, um dem Schrecken ein Ende zu bereiten. Wortlos rollen Sara und Stefan daraufhin Kent in den Wohnzimmerteppich und lassen ihn im Schutz der Dunkelheit im Wald über ein Bord hinunterrollen. Doch am nächsten Tag steht die Polizei vor der Türe steht und teilt Sara mit, dass ihrem Mann etwas Schreckliches zugestossen sei und Kent im Spital im Koma liegt. Der Schrecken scheint von neuem loszugehen…

Ein heikles Thema hat sich der Schwede Dan Ying für sein Regiedebüt ausgesucht. Während Gewalt in der Familie in Skandinavien in den Bereichen Theater und Literatur seit Jahren ein Thema ist, hat sich das Kino bei diesem Thema bisher schwer getan. Doch Filme über Gewalt in der Familie sind auch bei uns sehr selten, obwohl in der Schweiz gemäss Statistik jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens körperliche und/oder sexuelle Gewalt von ihrem Lebenspartner oder Ehemann erleidet.

Was "Home sour Home" so beeindruckend macht ist seine Schlichtheit. Fast beiläufig wird uns ein Familienbild präsentiert, was sich so oder ähnlich durchaus auch in unserer Nähe verbergen könnte. Die Opfer Sara und Stefan sind beide isoliert und haben nur wenige Kontakte zur Aussenwelt und dies spiegelt sich in den stillen und einfachen Bildern wider. Der Film beschränkt sich grösstenteils auf ihre klaustrophobische Welt, ohne je aufdringlich zu wirken.

Dass der Film zuweilen ob seiner Schlichtheit nicht auf das Niveau eines Fernsehspiels zurückfällt, ist schliesslich den herausragenden Darstellern zu verdanken. Michael Nyqvist gehört zu den wichtigsten schwedischen Theater- und Filmschauspielern. Bei uns durch seine Mitarbeit in "Together" bekannt geworden, schafft er hier die differenzierte Darstellung eines überforderten Mannes, der aufgrund äusserer Umstände gezwungen wird, sich seinem Leben neu zu stellen. Und die am Theater ausgebildete Kristina Törnqvist steht ihm in nichts nach. Beiden gelingt es, eine mit Emotionen gefüllte Beziehung zu schaffen, ohne sich der üblichen Klischees zu bedienen.

Der stille Held von "Home sour Home" ist aber der erst 14-jährige Anastasios Soulis. Seine Augen und seine Körpersprache vermögen mehr als alle Worte zu zeigen, was häusliche Gewalt einem Kind antut, das sich nicht wehren kann.

01.12.2020

4

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