Heaven Frankreich, Deutschland, Italien, Grossbritannien, USA 2002 – 97min.

Filmkritik

Zu schön für diese Welt

Filmkritik: Katrin Gygax

Ein wunderschön durchgestaltetes Bild reiht sich an das nächste. Irgendwo dahinter befindet sich vielleicht ein Film mit Handlung und Figuren. Allerdings ist es schwierig, über die Bildgewalt hinweg zu ihnen vorzudringen. Tom Tykwer hat sich ein Drehbuch von Krzysztof Kieslowski vorgenommen und in den Hauptrollen Giovanni Ribisi und Cate Blanchett gewonnen. Schauspieler wie Handlung begräbt er unter formalem Pomp.

Zu Beginn schaut man aus der Vogelperspektive in eine verwirrend schöne digitale Landschaft: Es handelt sich um eine Übungslektion am Flugsimulator für einen Hubschrauber. Der reale Himmel ist noch weit entfernt. In der wirklichen Welt, in Turin, setzt Philippa (Cate Blanchett) eine Bombe zusammen. Sie hat beste Absichten, als sie diese im Büro eines angesehenen Turiner Geschäftsmannes platziert: Der Mann, da ist sie sich sicher, ist ein Drogenhändler in grossem Stil und viele ihrer Schülerinnen und Schüler sind durch seine Machenschaften süchtig geworden. Das Attentat allerdings missglückt, der Mann überlebt, stattdessen stirbt eine Putzfrau und ein Vater mit seinen zwei Töchtern.

Töten in bester Absicht

Als Philippa davon erfährt, bricht sie erst einmal zusammen. Das Drehbuch zeigt sie als Überzeugungstäterin und äusserst moralischen Menschen. Um das zu unterstützen, wird die Selbstjustiz im Nachhinein nochmals gerechtfertigt: Weiterhin stösst die junge Frau bei der Polizei auf Unglauben, und im Publikum ahnt man bald einmal, dass hochrangige Carabinieri ebenfalls in den tödlichen Handel mit Drogen verwickelt sind. Damit sind � Bombe hin oder her � Gut und Böse klar verteilt. Zu den Guten gehört der junge Mann, der bei den Verhandlungen für die Engländerin übersetzt. Filippo verliebt sich auf der Stelle in sie. Als Einziger glaubt er ihr und verhilft ihr zur Flucht � ein Angebot, das sie nur wahrnimmt, um ihren Plan zu vollenden; sie hat schliesslich vier unschuldige Menschen getötet und wolle sich den Konsequenzen nicht entziehen.

Trotzdem lässt sie sich zur Flucht überzeugen. Vom Polizeiapparat mit Grossaufgebot verfolgt, findet Philippa in Filippos naiv-absoluter Liebe so etwas wie Erlösung; im letzten Bild entflieht das Liebespaar höher und höher gen Himmel � das ist wörtlich zu nehmen und ein Freispruch, wie er deutlicher nicht denkbar ist. Nur bringt der für das Publikum nichts Neues, war man doch von Anfang an auf Seiten der Mörderin.

Die Welt der schönen Bilder

Ob jemand einen Gefängnisgang entlanggeht oder ob die Liebenden vor einem Baum stehen, dessen Umrisse sich gewaltig gegen den Sonnenaufgang abheben � Kameramann Frank Griebe fotografiert jedes einzelne Bild perfekt inszeniert. Aber hier liegt das Problem: Er fotografiert mehr, als dass er filmt. Stets ist man damit beschäftigt, die statischen Bilder zu bewundern. Darüber verpasst man bisweilen fast, was sich darin abspielt. Die Ästhetik schafft so eine Distanz zum Symbol beladenen Geschehen, sie führt aber nicht dazu, es zu reflektieren, sondern sie ertränkt es in einer Flut von schönen Bildern.

10.11.2020

3

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Kommentare

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Barbarum

vor 10 Jahren

Spannend und gleichzeitig romantisch, dazu tolle Kamera. Sonst mag ich Tom Tykwer-Filme nicht allzu sehr. Doch an diesem hab ich nicht allzu viel auszusetzen. Besonders hab ich eine wundervoll verträumte Stimmung in Erinnerung.


jahreszeiten

vor 21 Jahren

Wunderbar poetischer Film


pablito

vor 21 Jahren

Ich liebe Filme von Tom Tykwer


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