Chaos Frankreich 2001 – 109min.

Filmkritik

Frauenpower aus dem Maghreb

Filmkritik: Nathalie Jancso

Bis jetzt konnte man in Coline Serreaus Filmen meist herzhaft lachen: "Trois Hommes et un couffin" oder "Romuald et Juliette" sind Komödien von der beschwingten Sorte, die einen mit einem Lächeln aus dem Kinosaal treten lassen. In ihrem neusten Film hat sie nichts von ihrer Leichtigkeit eingebüsst, doch im "Chaos" von Geschichten und Emotionen geht es diesmal um mehr.

Paul (Vincent Lindon) und Hélène (Catherine Frot) sind ein gutbürgerliches Pariser Ehepaar in den besten Jahren, inklusive schicker Wohnung, Teenager-Sohn und viel zu viel zu tun. Der Dauerstress hat sie längst in einer Zweck-Beziehung erstarren lassen, und Streit ist ein normaler Bestandteil ihres Alltags. Sie sind eben wieder am Streiten, als ihnen in einem heruntergekommenen Viertel eine junge Frau vors Auto rennt und verzweifelt versucht, sich vor unsichtbaren Verfolgern zu retten. Paul verriegelt die Türen und fährt los – zum Entsetzen von Hélène. Der Anblick der jungen Frau lässt sie nicht mehr los. Am nächsten Tag geht sie auf die Suche nach der Unbekannten und findet sie auf der Intensivstation eines Krankenhaus.

Malika alias Noémi (Rachida Brakni), die junge Nordafrikanerin, steht unter Schock und ist noch lange nicht fähig, die Erlebnisse jener Nacht preiszugeben. Doch Hélène gibt nicht auf: Sie überlässt Mann und Sohn sich selbst und verharrt geradezu obsessiv am Krankenbett. Und während ihre beiden Männer hilflos mit dem Alltag ohne Frau/Mutter zurecht zu kommen versuchen, kommen sich die beiden Frauen langsam näher. Nach und nach erfährt Hélène Malikas Geschichte, die aus einer anderen Welt zu stammen scheint: Zwangsheirat, Frauenhandel, Prostitution...

"Chaos" handelt von Frauen, die sich gegen eine Welt patriarchalischer Unterdrückung verschiedenster Ausprägung zu wehren beginnen. Das Schicksal maghrebinischer Frauen, die in eine streng muslimische Familie hineingeboren werden, wird dabei in der (etwas zu) langen Rückblende auf Malikas Leben beleuchtet. Und Hélène wird erst durch Malikas Schicksal auf ihre eigene unbefriedigende Situation als lebenslange "Haushaltsklavin" für Mann und Sohn aufmerksam. Gemeinsam geben die beiden gezielt die männliche Überheblichkeit Schritt für Schritt der Lächerlichkeit preis. Den quicklebendigen Frauen haben die Männer dabei nur die totale Erstarrung in Konventionen entgegenzusetzen.

Wenn man Coline Serreau einen Vorwurf machen kann, ist es der, dass sie beinahe zuviel will - oder auch die Genres ganz schön verwegen mischt: Tragödie, Komödie, Thriller, Pseudo-Dok... Der Filmtitel sollte dabei jedoch jedem faulen Zuschauer Warnung genug sein. Die Regisseurin und Drehbuchautorin erzählt nicht eine, sondern fünf oder mehr Geschichten gleichzeitig, doch das mit so viel Herzblut und einer Leichtigkeit, die einen alles akzeptieren lässt, sogar die immer unglaubwürdigeren Wendungen gegen Ende dieser Gefühls-Achterbahn.

18.05.2021

4

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Kommentare

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fosz

vor 21 Jahren

cool


gwende

vor 21 Jahren

gibt es denn nur schlechte Männer???


Gelöschter Nutzer

vor 21 Jahren

einfach in jeder beziehung klasse


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