Bully Frankreich, USA 2001 – 112min.

Filmkritik

Die Rache der Geschändeten

Filmkritik: Andrea Bleuler

Junge Körper, Sex und Drogen waren bereits die publikumswirksamen Ingredienzen von Larry Clarks "Kids". Sein neuestes Jugenddrama bewegt sich erneut zwischen künstlerisch ambitionierter Realitätsanalyse und Voyeurismus in Reinkultur.

Seit Jahren wird Marty (Brad Renfro) von seinem besten Freund Bobby (Nick Stahl), der zwar schmächtiger, aber um einiges klüger ist als er selbst, schikaniert und drangsaliert. Telefonsex, Strippen im Gayclub, Dildolutschen vor der Videokamera - Marty ist Bobbys Marionette. Doch auch andere Cliquen-Mitglieder werden nicht von seiner Tyrannei verschont: Bobby vergewaltigt Martys schwangere Freundin Lisa (Rachel Miner) und deren zügellose Kollegin Ali (Bijou Phillips), die ihrerseits bereits ein Kind hat.

Larry Clarks Name steht für unzensurierte Realitätsnähe - im Film und in der Photographie. In "Bully" thematisiert er jenes emotionale Vakuum, welches das Dasein weisser amerikanischer Vorstädter prägt: Sie sind nicht wirklich arm, sondern vielmehr gelangweilt. Drogen, Sex und Videogames sind die Dinge, welche die Jugend beschäftigen. Gewalt ist allgegenwärtig. Gleichzeitig haben sie zu wenig Phantasie, um nach alternativen Lebensformen Ausschau zu halten.

Der Realismus von "Bully" ist unumstritten. Der Film basiert auf Jim Schutze's Erzählung "Bully: A True Story of High School Revenge", die ihrerseits von einer wahren Begebenheit inspiriert wurde, welche sich vor acht Jahren in Florida zugetragen hat: Eine ganze Clique rächt sich an ihrem Peiniger und bringt ihn auf grausamste Art und Weise um.

Die visuelle Umsetzung, die der Regisseur für sein kritisches Gesellschaftsporträt gewählt hat, ist jedoch nicht unverfänglich. Larry Clark lässt keine Gelegenheit aus, seine jungen Schauspieler nackt zu zeigen. Die Handkamera ist jederzeit sensationell ästhetisch. Der betont nachlässige Schnitt - Sequenzen und auch einzelne Einstellungen laufen ohne narrativ motivierten Ausstiegspunkt aus - wirkt demonstrativ künstlerisch.

"Bully" ist getränkt mit Kultigem und optisch Gefälligem, das voyeuristische Bedürfnisse befriedigt. Auf inhaltlicher Ebene kontrastiert diese hocherotische Aura mit einer Salve menschlicher Abscheulichkeiten. Eine solche Kombination mag dadurch gerechtfertigt sein, dass die Zuschauer bei einem derartigen Plot sonst kaum bei der Stange zu halten wären. Oder vielleicht einfacher: Sie ist ein sicherer Publikumsmagnet.

Zweifelsohne hat der Regisseur ein subtiles Gespür für die Blütezeit hormoneller Ausstösse wie auch für die Gesetze der Gruppendynamik und weiss diese Themen filmisch wie kaum ein anderer zu vermitteln. Verwirrend ist allerdings, dass Larry Clark mit seinem Publikum genau eines jener psychologischen Spielchen betreibt, wie sie in der Geschichte an den Pranger gestellt werden: er verführt uns optisch und macht uns zum lüsternen Zeugen einer grausamen Realität.

15.02.2024

3

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Kommentare

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kimmo9

vor 17 Jahren

Es wäre ein guter Filmstoff. Ein besserer Regisseur hätte daraus viel mehr gemacht!


sandro76

vor 21 Jahren

anthony hopkins garantiert schon fast einen guten Film


sinah

vor 21 Jahren

Film der wirklich unter die Haut geht


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