Chicken Run Grossbritannien 2000 – 84min.

Filmkritik

Nur nicht den Kopf verlieren

Sven Schwyn
Filmkritik: Sven Schwyn

Die Briten Nick Park und Peter Lord sind spätestens seit ihren Wallace and Gromit Kurzfilmen die unbestrittenen Götter im Plastilinuniversum. Mit ihrer ersten abendfüllenden Animation schaffen sie nach fünf Jahren Arbeit einen Wurf, den ihnen so schnell niemand nachmachen dürfte.

Was Vegetarier schon lange wissen: Hühnerfarmen sind die Hölle. Wer die Eierquote nicht erfüllt, kommt kurzerhand unter das Hackebeilchen. Noch schlimmer, die eiserne Lady und Besitzerin der Farm Mrs. Tweedy (Miranda Richardson) hat das grosse Geld gerochen. Wenn die Köpfe rollen, tut es auch der Rubel, die Hennen haben also allen Grund zur Panik. Einzig Ginger (Julia Sawalha) gibt nicht auf und schmiedet immer ausgefallenere Ausbruchspläne, die jedoch einen um den anderen scheitern. Bis die Rettung sprichwörtlich vom Himmel fällt: Rocky (Mel Gibson), der Hahn, der fliegen kann.

Der Traum vom Fliegen

Beibringen soll er es den ansonsten wenig flugtauglichen Damen. An der Motivation mangelt es freilich nicht, schliesslich wollen sie alle dem sportlichen Supergockel aus Amerika gefallen. Trotzdem will es nicht so richtig klappen und die Zeit drängt, denn was immer Mrs. Tweedy im Schilde führt, es steht kurz vor der Vollendung und es riecht nach Tod.

Die Knetmassenkneter haben die Geschichte nicht wirklich erfunden. Vielmehr ist es eine witzige Hommage an den Klassiker The Great Escape mit Steve McQueen, bei dem die Insassen eines deutschen Gefangenenlagers im zweiten Weltkrieg in einer ebenso dreisten wie amüsanten Selbstbefreiung en bloc zu entkommen versuchen. Bei vielen Details blinzelt die Vorlage durch, etwa wenn die geheimen Ausbruchspläne vor den Augen des trotteligen Mr. Tweedy (Tony Haygarth) versteckt werden müssen.

Tonnenweise Plastilin

Wenn 85 Minuten Animation gänzlich in Handarbeit entstehen, mangelt es danach nicht an Superlativen: Rund zwei Tonnen Spezialplastilin und 4000 Liter Farbe verarbeiteten die Animatoren zu ganzen Hundertschaften von Modellen. Wenn sie das Federvieh in einer eigentlichen Choreographie tanzen lassen, vergisst man für einen Moment, dass sich da auf der Leinwand jenes klumpige Zeug aus längst vergessenen Kindergartentagen bewegt. Trotz aller Perfektion behält der Film den Charme aus früheren Zeiten, wenn man genau hinsieht, werden sogar die Fingerabdrücke der Animatoren in den Gesichtern ihrer Geschöpfe sichtbar. Und da Steven Spielbergs Produktionsfirma Dreamworks die Kreativen um Nick Park und Peter Lord weitgehend frei hat schalten und walten lassen, musste auch der britische Humor unter den amerikanischen Geldgebern keine Federn lassen. Das Warten auf die richtigen Partner hat sich gelohnt.

Es lohnt sich übrigens ebenfalls, während dem Abspann noch etwas sitzen zu bleiben. Denn bei so vielen Hühnern und Eiern darf eine der ältesten Fragen der Menschheit nicht ausgelassen werden.

10.11.2020

4

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