The Blair Witch Project USA 1999 – 80min.

Filmkritik

Wiedergeburt der Angst

Filmkritik: Martin Glauser

Dieser Film lässt nicht nur uns Zuschauer erbleichen, sondern auch Hollywood: Für $35'000 haben zwei Regie-Neulinge dieses Horror-Wunder abgedreht, das bisher allein in den USA über 140 Mio Dollar eingespielt hat. Den beispiellosen Erfolg verdankt die Null-Bugdet-Produktion einem unkonventionellen PR-Konzept, einer brillianten Idee und der Existenz gefährlicher Waldhexen, an die wir ab sofort wieder glauben.

Spektakulär sind die Umstände, unter denen der Film zustande gekommen zu sein vorgibt, und wir haben keinen Beweis dafür, dass es sich nicht tatsächlich um authentisches Material handelt: Am 20. Oktober 1994 - zufälligerweise exakt fünf Jahre vor dem Schweizer Kinostart - verschwanden drei Filmstudenten spurlos in den Wäldern von Maryland, während sie einen Dokumentarfilm über den Mythos der Blair-Hexe drehten. Ein Jahr später, so behauptet der Vorspann, wurden ihre Sachen aufgefunden, darunter die 16mm- und Videobänder. Alles, was wir im Film zu sehen bekommen, ist angeblich aus diesen Bändern zusammengeschnitten. Was man sieht, ist rasch erzählt: Heather, Josh und Mike, nämlich Regisseurin, Kamera- und Tonmann der Filmcrew, interviewen zuerst ein paar Leute im Dorf, machen sich dann auf in den Wald, verirren sich heillos und werden in den folgenden Nächten mit zunehmender Intensität von unheimlichem Zeug terrorisiert.

Der Film funktioniert. So effektiv sich seine beispiellose ökonomische Bilanz liest (bisher 400'000% Wertsteigerung!), so ertragreich ist auch das Verhältnis zwischen dem Aufwand an filmischen Mitteln und der emotionalen Wirkung, die damit beim Zuschauer erzielt wird. Obschon wir die meiste Zeit nur von nervösen Taschenlampen flüchtig angeleuchtetes Unterholz zu sehen und "Oh shit"-Schreie zu hören bekommen, fällt uns doch bei jedem Reissschwenk das Herz in die Hose. Der scheinbare Widerspruch ist natürlich keiner. Im Unterschied zum normalen zeitgenössischen Horrorfilm befolgen die beiden Autoren Daniel Myrick und Eduardo Sánchez zwei Hauptregeln des klassischen Grusel-Genres: Erstens: Zeig nicht zuviel vom Monster. Zweitens: Vermeide Humor. Gewiss kann auch Hightech-Grusel (The Haunting etc.) und Teenage-Horror (Scream etc.) Freude machen, zumal wenn man auf Tricktechnik, Augenzwinkerhumor und hübsche Teenager anspricht. Bloss Angst machen sie keinem. Myrick und Sánchez hingegen buchstabieren den Horrorfilm auf seine Kernkompetenz zurück, und die besteht nun einmal darin, die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen. Konsequent zielen sie dabei auf jene Sorte von Ängsten, die uns manche Kindernacht zur Hölle machten, auf unsere halbvergessenen Instinkte, die im Dunkel des Gebüschs und im unbekannten Geräusch stets die akute Todesgefahr vermuten.

Ein weiterer Grund für den Erfolg von "The Blair Witch Project" liegt paradoxerweise in der Schäbigkeit der Produktion: der billige Look der 16mm- und Video-Bänder, der unprofessionelle Ton und die prekären Lichtverhältnisse fördern selbstverständlich die Illusion, dass es sich bei den Bändern wirklich um das Footage-Material dreier verschwundener Studenten handelt. Und wie gesagt: Wir wissen nicht mit Bestimmtheit, dass die Bänder nicht echt sind.

PS. Warnung: "The Blair Witch Project" eignet sich nicht für alle. Falls Sie eine sehr grosse oder aber überhaupt keine Neigung zu Angstzuständen haben, sollten Sie dem Film jedenfalls fernbleiben. Jürg G., Architekt aus Zürich, der den Film an der Vorpremiere im Wald gesehen hat, schreibt: "Der Film The Blair Witch Project ist geradezu unglaublich schlecht! Ich kann nicht verstehen, warum die Amerikaner 140 Millionen Dollar für Kinoeintritte in diesen Film ausgeben. Schon der Sprachcode ist total beschränkt: Warum z.B. müssen die Schauspieler mehr als 1000 (in Worten tausend) Mal "fuck" schreien? Mich beeindruckt einzig die PR-Firma, die wie es scheint mühelos das Kinopublikum dazu bringt, freiwillig 15.- Franken auf den Tresen zu legen."

17.02.2021

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 7 Jahren

Die Idee dahinter inklusive der PR-Aktion war brilliant, der Film ist es nicht.


movie world filip

vor 12 Jahren

tolles experiment aber mehr nicht


backingreen

vor 15 Jahren

Das ist mal ein Horrorfilm! Absolute Spannung!!
Tja, gute Antwort auf all die 200 Millionen Hollywoodfilme, die auch keine bessere Spannung bringen.


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