CH.FILM

Ein Tag im September Deutschland, Schweiz, Grossbritannien, USA 1999 – 94min.

Filmkritik

Sport und Terrorismus

Filmkritik: Kaspar Döbeli

Am frühen Morgen des 5. September 1972 stürmt ein palästinensisches Terror-Kommando die von der israelischen Delegation bewohnten Appartements im olympischen Dorf in München. Am 26. März 2000 gewinnt der Basler Filmproduzent Arthur Cohn in der Kategorie "Best Documentary, Features" seinen sechsten Oscar mit einem Film, welcher diese Ereignisse nachzeichnet. Aus Originalaufnahmen und Zeugenaussagen schuf der englische Regisseur Kevin Macdonald einen nervenaufreibenden Thriller.

Jamal Al Gashey erzählt aus seiner Jugend. Von der Flucht seiner palästinensischen Eltern vor den Juden, von seinem Aufwachsen im Flüchtlingslager und von jenem Moment, in dem sein Leben Sinn bekam: von seiner Rekrutierung zum Terroristen. Ankie Spitzer schwärmt von ihrer Heirat mit dem jüdischen Fechter André Spitzer, vom wunderbaren ersten Ehejahr. Die Geiselnahme während den olympischen Spielen in München, den ersten auf deutschem Boden seit den Propaganda-Spielen 1936 in Berlin, sollte diese beiden Männer zusammenbringen. Mit den beiden Parallelsträngen, unterbrochen von den Olympiade-Bildern strahlender Athleten und biertrinkender Blondinen in Lederhosen, führt uns Kevin Macdonald an die dramatischen Ereignisse heran. Am Abend des 4. September zieht er die Spannungsschraube an und lässt bis zum Schluss nicht mehr locker. Er inszeniert die Geschichte der gewaltsamen Geiselnahme von zunächst zwölf jüdischen Athleten durch acht palästinensischen Terroristen der Gruppe "Schwarzer September" als ein Rennen gegen die Zeit: die Flucht eines Ringkämpfers, der Mord an zwei Athleten, die Verhandlungen um die Freilassung von 236 inhaftierten Palästinensern, das amateurhafte Verhalten der deutschen Polizei, das Versagen der Politik, die Flucht der Terroristen mitsamt Geiseln bis zum Show-Down am Flughafen Fürstenfeldbruck, eineinhalb Helikopterstunden vom olympischen Dorf entfernt.

Kevin Macdonald arbeitet streng chronologisch, führt die Protagonisten mit Archivaufnahmen und Augenzeugenberichten langsam in das Geschehen ein. Er lässt den Zuschauer zu keinem Zeitpunkt mehr wissen, als es die Weltöffentlichkeit damals tat. Das sind die Mittel eines Thriller-Regisseurs. Die anfänglich harmonischen, aus heutiger Sicht kitschigen und zynischen Bilder von der Olympiade zeigt er auf damals trendigen Split-Screens, die spannungsgeladenen Szenen in Slow-Motion. Trotz solchen Dramatisierungen und Emotionalisierungen bemüht sich Macdonald immer um Neutralität. Nie nimmt er für die eine oder andere Partei Stellung. Einen sehr genauen Blick wirft er auf die Rolle von Polizei, Politik und Medien und offenbart so eine ganze Reihe von Inkompetenzen und Fehlreaktionen.

Zweieinhalb Jahre verbrachte Macdonald mit Drehbuch, Archivrecherchen und Interviews. Es gelang ihm sogar, den letzten überlebenden Terroristen in seinem permanentem Versteck in Afrika ausfindig zu machen; etwas, was dem israelischen Geheimdienst Mossad nie glückte. Auch die anderen Interviewpartner, etwa den damaligen Polizeichef von München, einen Delegierten des olympischen Komitees und den früheren deutschen Aussenminister Genscher, lässt Macdonald die Ereignisse nicht interpretieren, sondern nur nacherzählen, und überlässt das letzte Urteil damit seinem Publikum.

10.11.2020

4

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Kommentare

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sniper8

vor 17 Jahren

ich habe den film gesehen kurz bevor ich munich im kino sah und ich muss sagen es ist ein hervorragend rechechierter dokuthriller mit haufen spannung und toller machart.


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