Magnolia USA 1999 – 188min.

Filmkritik

Zufälle und Schicksale

Serge Zehnder
Filmkritik: Serge Zehnder

Was tut ein junger Regisseur, der bereits für sein zweites Werk höchste Anerkennung erhalten hat? Im Falle von Paul Thomas Anderson (P.T. für seine Fans) setzt man sich hin, und schreibt nach der zweieinhalbstündigen Porno-Chronik "Boogie Nights" ein dreistündiges Epos über das kalifornische San Fernando Valley und die Menschen, die dort leben, leiden und sterben.

Unter ihnen befindet sich ein zwölfjähriges Wunderkind, ein fünfzigjähriges Ex-Wunderkind, ein krebskranker, verbitterter Mann, dessen stiller Pfleger, ein Frauen hassender Macho, ein Quiz-Show-Moderator, seine drogenabhängige Tochter und ein Polizist, der versucht "Gutes" zu tun. Sie alle begegnen sich innerhalb von 24 Stunden wie auf vorbestimmte Weise. Manche Begegnungen sind flüchtig, andere von längerer Dauer, und doch wird einem das Gefühl gegeben, die Abläufe seien unabänderlich miteinander verbunden. Die Interpretationsmöglichkeiten dieser verschiedenen Begegnungen sind so zahlreich wie die Personen vielschichtig. Anderson gibt mehr als genug Anlass zum Deuten und Analysieren.

Absolut unzweideutig hingegen sind die fantastischen Leistungen der Schauspieler. Die meisten von ihnen, u.a. Philip Baker Hall, John C. Reilly, Philip Seymour Hoffmann, Julianne Moore oder William H. Macy waren bereits bei Andersons letzten Projekten ("Hard Eight" und "Boogie Nights") mit von der Partie. Ein Umstand, der es Anderson ermöglichte, "seinen" Akteuren die jeweiligen Rollen auf den Leib zu schreiben. Jede Figur ist so komplex und faszinierend, dass sie einen eigenen Film füllen könnte. Anderson spielt Gott und lässt die in ihren Gegensätzen meilenweit voneinander entfernten Charaktere mit Höchstgeschwindigkeit aufeinander zu rasen, um herauszufinden, was der Zusammenprall bewirken könnte.

"Magnolia" hat insofern eine religiöse Komponente, als das Leben gemäss Anderson ein einziger Film ist, dessen grosser himmlischer Regisseur an jedem Drehtag mit ein paar neuen unerwarteten Szenen kommt. Ein Vorgehen, das emotionale und inszenatorische Konsequenzen hat: Wie schon in Boogie Nights will kein richtiger Rhythmus entstehen. So sehr gewisse Passagen in ihrer Bildgewalt von grosser Meisterschaft zeugen, stehen sie in krassem Gegensatz zu den ruhigeren Momenten des Films, wo der Dialog oder die Ruhe Überhand gewinnen und die Minuten extrem gestreckt wirken.

Man läge bestimmt falsch mit der Meinung, der Film leide an überflüssigen Nebenhandlungen, doch die unterschiedlichen Motive der einzelnen Charaktere haben besonders in der letzten Stunde etwas Mühe, sich zu vereinigen. Man könnte fast meinen, Anderson's Glaube an das Schicksal hätte ihn in dramaturgischer Hinsicht etwas überrumpelt. Dafür trumpft der Autor mit einem enorm überraschenden Ende auf, das zu erfahren hoffentlich allen Zuschauern bis zum Kinobesuch erspart bleiben wird. Während "Boogie Nights" wohl aufgrund der Pornothematik etwas kühl geraten war, schwappen in "Magnolia" die Emotionen geradezu über, und man gibt sich diesem Bad nur zu gerne für drei Stunden hin.

17.02.2021

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

oscon

vor 8 Jahren

Was verbindet die Figuren in diesem 3-stündigen Film 'rund um Geschehnisse im Fernando Valley bei Los Angeles?
Ein sterbender TV-Produzent, ein Quiz-Show Moderator, ein Buch schreibernder Macho und Frauenhasser, ein Polizist, ein Junkie...
Unterschiedlicher können die Charaktere nicht sein und doch verbindet sie ein "gemeinsamer Strick des Lebens", der im Laufe des Films immer deutlicher wird und im Regen der Frösche (eine Anlehnung des Werks von Charles Fort) gipfelt. Das bis in die Nebenrollen besetzte hochkarätige Ensemble mit Tom Cruise, Julianne Moore, Philipp Seymour Hofmann, Jason Robards etc. etc. ist auf jeden Fall das Eintrittsticket wert.
Verstörend, erkennend und fordernd: Ein Film den man sich unbedingt anschauen sollte!Mehr anzeigen


movie world filip

vor 12 Jahren

so wie nicole kidman überraschte in eyes wide shut mit eine wilde weed darstellung, hier auch ein geflipter tom cruise als frauenhasser. aussergewönliche leistung von cruise, aber auch william h. macy und rigisseur anderson. es regnet auch noch froschen. mehr wie coole film


remolus2

vor 14 Jahren

für mich einer der besten filme dies gibt.
das ist ein film der man mehrmals sehen kann und dabei immer wieder neue facetten auffallen. ich hab ihn schon sicher 5-mal gesehen und er berührt mich nach wie vor sehr tief. und wenns frösche regnet, erschrecke ich auch immer wieder aufs neue obwohl ich schon genau weiss wenn der abschnitt kommt.
die filmmusik ist super..Mehr anzeigen


Mehr Filmkritiken

Civil War

Kung Fu Panda 4

Back to Black

Challengers - Rivalen