Armageddon - Das jüngste Gericht USA 1998 – 144min.

Filmkritik

Und wieder geht die Welt fast unter

Filmkritik: Martin Glauser

Ein Komet kommt selten allein. Nach Deep Impact rast uns ein weiterer Killer aus dem All entgegen: eine Jerry Bruckheimer Produktion "in der Grösse von Texas" wird demnächst alles Leben auf der Erde vernichten, und einzig unser aller Bohrmeister Bruce Willis kann vielleicht noch etwas dagegen unternehmen.

Die erste halbe Stunde ist ein echtes Vergnügen, denn Disney's "Armageddon" eröffnet im Unterschied zum traditionellen Katastrophenfilm mit einer Action-Offensive, deren Schaden zwar etwas geringer bleibt als der noch ausstehende Weltuntergang, deren Inszenierung aber umso effektiver ist. Ein Schwarm kleinerer Asteroiden im handlichen Format von Fussbällen und Volkswagen regnet auf Manhattan nieder. Die Bausubstanz leidet schwer, die Taxis schwirren durch die Luft wie Bienen, das Chrysler Building - wie schon in Godzilla prominentestes Opfer unter den Immobilien - bohrt sich Art-Deco-Spitze voran in die 42nd Street. Bei der Premiere klatschten die New Yorker. Zwar taten sie das auch schon bei den massiven Beschädigungen ihrer Stadt durch Deep Impact und Godzilla - New Yorker haben nun einmal ein eher ambivalentes Verhältnis zu New York -, aber vielleicht ist der Szenenapplaus diesmal auch ein wenig der formalen Umsetzung der Katastrophe zuzuschreiben: Die Spezialeffekte sind hervorragend orchestriert, ihr Rhythmus und ihre Harmonie dürften auch jenen beeindrucken, dem das Muskelspiel mit den Spezialeffekten allmählich äusserst realistisch zum Hals heraushängt.

Aber eben, es kommt schlimmer, in jeder Hinsicht. Houston hat ein Problem. Texas rast auf die Erde zu. Die Welt (= US-Regierung +NASA) hat 18 Tage Zeit, eine Lösung zu finden. Sie schicken nach Bruce Willis, Oberbohrmeister auf einer Ölbohrinsel und soeben dabei, ein paar Greenpeace-Aktivisten mit einem Golfschläger sein subtiles Weltbild zu vermitteln. Allerdings ist auch er bereit, die Welt zu retten, nämlich indem er seine exklusiven Bohr-Kenntnisse dafür verwendet, ein tiefes Loch in den Kometen zu machen, in welchem man anschliessend eine Sprengladung plazieren will. Seine Bedingung ist allerdings, dass er seine eigenen Leute mitnehmen kann: die besten Bohrer der Welt, freilich alle ein bisschen gesellschaftliche Randgänger: der perverse Steve Buscemi, der perverse Michael Duncan, ein paar andere Halunken sowie der völlig unperverse Ben Affleck, Liebhaber von Willis' Zuckertochter Liv Tyler (in Wirklichkeit die Zuckertochter von Aerosmith-Sänger Steve Tyler). Hier sind also zwei weitere Filme angelegt. Erstens eine Komödie: die Rekrutierung der Bohrkumpels erinnert an die Reorganisation der Blues Brothers Band, ihre NASA-Ausbildung fürs Space Shuttle an Police Academy. Hier gibt's einige gute Witze, aber keinen Humor. Zweitens die Romanze zwischen Tyler und Affleck: Er muss rauf auf den Kometen, sie bleibt unten und drückt die Daumen.

Regisseur Michael Bay und ein ganzes Shuttle voll Pruduzenten tun alles, um es jedem nur denkbaren Massenpublikum recht zu machen, den Adrenalin-Buben, den Mädchen mit Affleck-Affekt, den Schenkelklopfern und den Nasenbohrern. Es gibt nichts und niemanden, der diese verschiedenen Verkaufsargumente irgendwie zu einem stilistischen Ganzen zusammenzuhalten versuchte. So viel handwerkliches Können, so wenig Berufsehre! "Deep Impact" war die öffentlich-rechtliche Version des Kometen-Desasters, also seriös, altmodisch und langweilig, Armageddon ist Privatfernsehen, also unwissenschaftlich, modern, beleidigend - und ständig von Werbung unterbrochen: um die Vielheit der bedrohten Menschheit zu vermitteln, schaltet der Film - nicht wie Deep Impact zum Vornherein um verschiedene Einzelschicksale gruppiert - einige minutenlange Sequenzen "typische Plätze der Welt und ihre Bewohner", also die Rotwein trinkenden Südfranzosen am Holztisch, die betenden Moslems vor ihren pittoresken Moscheen, die Zwerg-Eskimos um ihre winzigen Eislöcher - alles immer in Zeitlupe und von synthetischen Panflöten unterlegt: Genau so sehen TV-Werbespots für Fluggesellschaften, Versicherungen, Coca Cola und die SPD aus. Solche Spots kosten bestimmt auch viel, aber macht sie das attraktiv? Wie alle modernen Grossproduktionen preist auch Armageddon seine hohen Kosten als Qualitätsmerkmal an. Aber nach den Zahlen des US-Starts zu schliessen wird der Film Mühe haben, seine 140 Millionen Dollar (prima!) einzuspielen. Ob es nicht am Ende doch wirtschaftlicher wäre, von diesem Geld drei Filme mit spezifischeren Zielgruppen zu produzieren?

Die letzten 45 Minuten von Armageddon reiten die von der Nasa geheuerten Bohrexperten auf dem fauchenden Kometen und erleben viele Abenteuer mit unerwarteten Eruptionen, Atombomben, kapputtem Werkzeug und Verrat. Buscemi ist toll, Willis ist Willis, Tyler Zucker, Affleck ein Idiot. Wie es ausgeht, darf ich nicht verraten, wegen der Spannung und wegen der Panik. Diese Filmkritik hat 20'000 Franken gekostet.

31.05.2021

2

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Kommentare

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dulik

vor 5 Jahren

"Armageddon" ist ein Musterbeispiel eines völlig überladenen Films. Es vergeht wohl keine einzige Minute, in der nicht irgendetwas explodiert oder sonst irgendwie in die Luft geht. Dazu ist der Actionstreifen häufig auch etwas kitschtig. Aber genau so etwas will man hin und wieder auch mal sehen und nicht zuletzt dank des coolen Casts ist dieser Blockbuster dennoch sehenswert.
5.5/10Mehr anzeigen


Tatschi82

vor 11 Jahren

Ja, er ist kitschig dieser Film, aber ich mag Kitsch! Und keiner ist so cool beim Retten der Welt wie Bruce Willis: -)!


movie world filip

vor 12 Jahren

aerosmith geht inm universum - soundtrack ist cool, die typen auch, der film aber hat etwas kitschiges


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