Das kleine Buch der Liebe Brasilien 1997 – 91min.

Filmkritik

ABC der Liebe

Filmkritik: Gerhard Schaufelberger

Die brasilianische Regisseurin Sandra Werneck wagt sich mit ihrem Erstling an das Thema Liebe heran und serviert uns, untermalt mit der Beziehungsgeschichte zweier Leute aus der gehobenen Mittelklasse von Rio de Janeiro, eine geballte Ladung an Gemeinplätzen über das Entstehen und Vergehen der Liebe.

Die Architektin Luiza (Andréa Beltrão) hat eben mal wieder ihren Lover sitzen lassen. Der Biologe Gabriel hat sich von seiner Frau getrennt. Die beiden begegnen sich auf einem Friedhof, als Gabriel gelangweilt von einem Trauerzug abschweift und versucht, einen seltenen Käfer zu fangen, fotografiert ihn Luiza zufällig. Eigentlich interessierte sie nur das Grabmal, hinter dem der versponnene Wissenschaftler seinem Insekt auflauerte. Was folgt sind, ganz nach dem Titel zu schliessen, nach Stichworten geordnete Episoden einer Liebesbeziehung.

Zwischen den Stationen der entstehenden und wieder vergehenden Liebe flicht die Regisseurin Kommentare der engsten Vertrauten der beiden Turteltauben ein: Luizas Busenfreundin (Mônica Torres) glaubt eher an Statistiken, als an die grosse Liebe, sie rechnet denn auch tüchtig die wildesten Tabellenkonstrukte vor, bis es einen zu ärgern beginnt. Der Busenfreund Gabriels (Tony Ramos) vertritt dagegen die Interessen des erwachsen gewordenen Muttersöhnchens, der mit Betrachtungen über das Sexualverhalten der Primaten oder anderer Mammiferen eine Annäherung an das weibliche Geschlecht sucht, seine Devise scheint "You and me baby ain't nothing but mammals usw." zu sein. Gabriel und Luiza lieben sich, werden einander überdrüssig, trennen sich wieder, so wie man es aus tausend anderen Geschichten kennt.

Mitfühlen soll man nicht: "Don't get involved - Lass dich nicht mit reinziehen" scheint Programm zu sein. Emotionen kommen zwar sowohl verbal wie bildhaft zum Ausdruck, werden durch ihre wörterbuchartige Aneinanderfügung und Kommentierung aber laufend versachlicht. Auch der Witz wird behutsam in Schranken gehalten, was man nicht so ganz ernst nimmt, darüber will man sich auch nicht lustig machen.

"Pequeno dicionario amoroso" wurde mit bescheidenen Mitteln produziert. Das schlägt sich leider in der Qualität einzelner Sequenzen, vor allem der Aussenaufnahmen, sehr unvorteilhaft nieder. Auch die schauspielerische Leistung der Hauptdarsteller lässt - trotz Andréa Beltrãos ergreifendem Charme - oft zu wünschen übrig. Allzu theatralisch wirkt manches Zwiegespräch der beiden Liebenden. Hier ist Sandra Wernecks Gratwanderung zwischen Ernst und Witz gehörig misslungen, und man erwartet beinah schon künstliche Lacher aus dem Off, um von dem Gefühl der Peinlichkeit erlöst zu werden. Den grossen Erfolg in Brasilien (über 400000 Eintritte) verdankt Sandra Wernecks erster Langspielfilm wohl einer Art Kabarett-Effekt, denn schmunzeln kann man in "Pequeno dicionario amoroso" am besten dort, wo man an die eigenen gelungenen und misslungenen Liebesgeschichten erinnert wird. Alle, die jemals verliebt waren (und das sind doch hoffentlich alle!), werden sich in der einen oder anderen Platitüde wiedererkennen und mit Genugtuung feststellen, dass es uns allen am Ende gleich ergeht in der Liebe.

10.03.2021

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