Critique2. Oktober 2019

«Gemini Man»: Will Smith kämpft gegen sich selbst

«Gemini Man»: Will Smith kämpft gegen sich selbst
© Disney Schweiz

In Ang Lees neuem Spielfilm bekommt es ein müde gewordener Profikiller mit einem jüngeren Ebenbild zu tun, das ihn zur Strecke bringen soll. Gemini Man ist aus technischer Sicht beeindruckend. Auf Handlungsebene lautet das Motto allerdings „Malen nach Zahlen“.

Filmkritik von Christopher Diekhaus

Der Scharfschütze Henry Brogan (Will Smith), der für den US-Geheimdienst DIA jahrelang blutige Arbeit verrichtet hat, will sich nach einer letzten Mission zur Ruhe setzen. Viel Zeit zum Entspannen bleibt dem zunehmend von Gewissensbissen geplagten Mann jedoch nicht. Denn plötzlich gerät er ins Visier seiner früheren Auftraggeber. Clay Verris (Clive Owen), der Leiter eines Geheimprojektes namens GEMINI, sieht in dem Ex-Handlanger eine Bedrohung und will ihn um jeden Preis ausschalten.

Da Brogan einem ersten Mordanschlag entgehen kann, greift Verris tief in die Trickkiste und hetzt ihm mit dem Elitekämpfer Junior (ein digital erzeugter Will Smith) einen jüngeren Klon Henrys auf den Hals. Zur Seite springen dem Gejagten die patente DIA-Agentin Danny Zakarweski (Mary Elizabeth Winstead) und sein alter Vertrauter Baron (Benedict Wong).

Bereits 1997 erwarb der Hollywood-Riese Walt Disney Pictures die Rechte an der von Darren Lemke entwickelten Idee zu Gemini Man, konnte den Stoff, auch wegen mangelnder technischer Möglichkeiten, aber nicht auf eine drehfertige Ebene heben. In die Kinos bringt den futuristisch angehauchten, von Oscar-Preisträger Ang Lee («Brokeback Mountain», «Life of Pi») inszenierten Actionthriller nun der Studiokonkurrent Paramount.

Unter formalen Gesichtspunkten besitzt der Film zweifellos revolutionäres Potenzial.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Wie schon in seiner letzten Arbeit, dem Kriegsdrama «Die irre Heldentour des Billy Lynn», experimentiert der in Taiwan geborene Regisseur mit einer deutlich gesteigerten Bildwiederholfrequenz, der sogenannten High-Frame-Rate-Methode, und präsentiert dem Publikum kristallklare Bilder mit einer unglaublichen Tiefenschärfe.

Die Optik ist sicherlich gewöhnungsbedürftig, unterscheidet sich merklich von dem, was man sonst im Kino zu sehen bekommt. Und doch trägt sie dazu bei, dass man das Geschehen – vor allem in Kampf- und Verfolgungssequenzen – noch intensiver wahrnimmt. Bemerkenswert ist überdies die erstaunlich authentische Gestaltung des am Computer entstandenen Juniors, der von den echten Darstellern fast nicht zu unterscheiden ist.

Will Smith kämpft in «Gemini Man» gegen eine jüngere Version von sich selbst.
Will Smith kämpft in «Gemini Man» gegen eine jüngere Version von sich selbst. © Disney Schweiz

Unter formalen Gesichtspunkten besitzt «Gemini Man» zweifellos revolutionäres Potenzial. Schliesslich zeigt der Film, wie ausgereift die digitalen Möglichkeiten inzwischen sind. Zu einem aufregenden Leinwanderlebnis gehören allerdings ebenso eine packende Geschichte und spannende Figuren – womit Lees Verschwörungsreisser eher nicht dienen kann.

Auch wenn während der rund zweistündigen Laufzeit keine grosse Langeweile aufkommt, wundert man sich schon ein wenig über den dünnen, überraschungsarmen Plot, dessen moralische und psychologische Dilemmata stets nur an der Oberfläche verhandelt werden. Ang Lee hat schon deutlich klügeren, emotional fesselnderen Erzählungen filmisches Leben eingehaucht.

3 von 5 ✭

«Gemini Man» ist am Zurich Film Festival und ab dem 3. Oktober in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.

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