Critique24. Februar 2023

Berlinale 2023: «Mon pire ennemie»: Die Spirale der Gewalt bei Verhören im Iran

Berlinale 2023: «Mon pire ennemie»: Die Spirale der Gewalt bei Verhören im Iran
© l’Atelier Documentaire

Dieses Jahr setzt der französisch-iranische Regisseur Mehran Tamadon auf doppelte Schlagkraft und präsentiert zwei Filme bei den Berliner Filmfestspielen. «Mon pire ennemie» wird in der Kategorie Encounters gezeigt.

«Mon pire ennemie»: Die Spirale der Gewalt bei Verhören im Iran

Mehran Tamadon | 82 Min.

Ein Text von Maxime Maynard

Mehran Tamadon, der seit 1984 in Frankreich lebt, würde gerne in sein Heimatland zurückkehren. Als Erwachsener hatte er dort mehrere Jahre verbracht, bevor er abgeschoben wurde. Das Verhör, das er dort wegen seiner Filme über sich ergehen lassen musste, ist ihm noch in Erinnerung. Als er andere ausgewanderte Iraner traf, befragte er sie zu ihren Erfahrungen mit der Staatsgewalt und brachte sie dazu, ein Verhör nachzuspielen. Doch dieses Mal werden sie die Peiniger sein.

«Mon pire ennemie» ist eines dieser schwer einzuordnenden Werke, die die Grenzen der Genres durchbrechen. Während der Dokumentarfilm eine anerkannte Wahrheit aufzeigt, verwischen die Momente des Verhörs, die vor unseren Augen inszeniert und improvisiert werden, die Grenzen zwischen Fiktion und Realität. So scheint sich die Schauspielerin Zar Amir-Ebrajimi, die bei den Filmfestspielen von Cannes 2022 für den Film «Holy Spider» die Goldene Palme als beste Schauspielerin gewann, völlig in ihrer Figur zu verlieren.

Mit hartem Gesicht und eisigem Blick befragt sie den Regisseur, drängt ihn dazu, sich auszuziehen, übergiesst ihn mit kaltem Wasser und führt ihn in Unterwäsche in die eisige Luft hinaus. Inspiriert von ihren eigenen Erfahrungen, baut sie einen unheilvollen, schweren moralischen Druck auf, der auf das Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Als Voyeure sehen wir den Ereignissen hilflos zu und hoffen, dass das Experiment endet, bevor es aus dem Ruder läuft. Denn auch wenn die Gewalt nicht physisch ist, so nährt sie sich doch von den Traumata ihrer Protagonistin und steigert sich mit jeder Minute.

Schon bald verwebt die Schauspielerin ihre eigene Persönlichkeit mit der ihrer Figur. Das Verhör wird persönlicher. «Warum diesen Film machen?», haucht sie. Denn welche Macht besitzt der Regisseur angesichts der vom Staat geförderten Unmenschlichkeit? Was erwartet er von all dem? Eine Frage nach dem menschlichen Wesen, die universell ist und das Publikum erschüttert zurücklässt.

3,5 von 5 ★

Eine Zusammenstellung aller Texte der 73. Berlinale findest du hier.

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