Interview

Joseph Gordon-Levitt: «Ich bin Edward Snowden dankbar.»

Patrick Heidmann
Interview: Patrick Heidmann

Medienkritik, Demokratieverständnis und Mut: Joseph Gordon-Levitt spricht im Interview über seine Zusammenarbeit mit Oliver Stone, die Schauspielerei und das Erwachsenwerden.

Joseph Gordon-Levitt: «Ich bin Edward Snowden dankbar.»

Kaum schulpflichtig stand Joseph Gordon-Levitt, in Los Angeles geborener Sohn zweier Radiomacher, schon vor der Kamera, wo er mit der Sitcom «3rd Rock from the Sun» (Hinterm Mond gleich links) auch schnell zum Star wurde. Im Kino war er in Filmen wie A River Runs Through It, The Juror oder 10 Things I Hate About You zu sehen, bevor er sich mehr auf mutige Rollen in kleinen Independent-Produktionen wie Mysterious Skin, Brick oder The Lookout spezialisierte. Der große Durchbruch in Hollywood gelang ihm spätestens mit der charmanten Liebesgeschichte (500) Days of Summer, für die er eine Golden Globe-Nominierung erhielt, es folgten Großproduktionen wie Inception, The Dark Knight Rises oder Lincoln. Nach The Walk im vergangenen Jahr meldet sich der öffentlichkeitsscheue 35-jährige nun mit Oliver Stones Snowden auf der Leinwand zurück. Idealer Zeitpunkt also für ein Interview, in dem Gordon-Levitt nicht vor klaren Worten zurückschreckt, wenn es um den kontroversen Whistleblower Edward Snowden geht. Nur über sein Privatleben mit Ehefrau Tasha, die in der Computerbranche arbeitet, und seinem Sohn (dessen Namen er der Öffentlichkeit bis heute nicht verraten hat) mag er nicht sprechen.

Joseph Gordon-Levitt, der Fall Edward Snowden beschäftigt seit 2013 und bis heute die Weltöffentlichkeit. Was wussten Sie über diesen Mann, bevor Sie die Titelrolle in Snowden angenommen haben?

Ehrlich gesagt nicht besonders viel. Als der Regisseur Oliver Stone sich bei mir meldete, war ich natürlich gleich begeistert, weil er so ein faszinierender Filmemacher ist. Doch von Snowden wusste ich nicht viel mehr als seinen Namen. Ich hatte natürlich mitbekommen, dass er ein Whistleblower war, aber mit den konkreten Details seines Falles hatte ich mich nicht befasst. Und offen gestanden vermischte sich in meinem Kopf dieses vage Halbwissen auch noch mit ähnlichen Geschichten, wie zum Beispiel der von Julian Assange.

Darf man also davon ausgehen, dass Sie sich nicht allzu viel für Politik interessieren?

Ganz so würde ich es nicht unbedingt sagen. Das hängt nämlich immer auch von den äußeren Umständen ab. Als Snowden damals 2013 mit seinen Enthüllungen an die Öffentlichkeit ging, steckte ich bis zum Hals in Arbeit und hatte so viel zu tun wie selten in meinem Leben. Da habe ich der aktuellen Nachrichtenlage tatsächlich erschreckend wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn ich weniger beschäftigt bin, bin ich durchaus offener fürs Zeitunglesen und solche Dinge. Schließlich will ich durchaus wissen, was Sache ist und wohin sich unsere Welt entwickelt. Wobei das mit den Nachrichten dieser Tage ja auch so eine Sache ist.

Was meinen Sie?

Ich finde einfach, dass vieles, was heute unter der Überschrift Nachrichten oder politische Berichterstattung läuft, letztlich nicht wirklich informativ ist. Mir ist das viel zu oft viel zu oberflächlich und vereinfacht. Den meisten Medien geht es doch heutzutage nur noch um eine Schlagzeile, ein knalliges Zitat oder einen pointierten Tweet. Unsere Aufmerksamkeitsspanne wird immer kleiner, das beobachte ich natürlich auch an mir selber. Wenn man wirklich etwas lernen und sich weiterbilden will, halte ich es deswegen meistens für sinnvoller, sich mit Historischem zu beschäftigen und fundierte, gut recherchierte Bücher zu lesen. Dort ist Platz für mehr als bloß Schwarz und Weiß.

Auch bei Edward Snowden unterscheiden viele in Schwarz und Weiß. Für die einen ist er ein Held, für die anderen ein Verräter. Wie sehen Sie ihn?

Mit beiden Bezeichnungen habe ich mein Problem, denn sie machen es sich zu leicht. Womit wir wieder bei diesen gefährlichen Vereinfachungen wären. Der Fall Snowden ist eben alles, nur nicht einfach. Genau das will unser Film ja nun auch zeigen. Natürlich kann man nicht bestreiten, dass er Gesetze gebrochen hat. Aber in meinen Augen besteht kein Zweifel, dass er mit dem, was er getan hat, unserem Land und der ganzen Welt einen Gefallen getan hat. Durch ihn wissen wir, dass und wann die Regierung gelogen hat und können darüber diskutieren, wie es in sich ja eigentlich für eine Demokratie gehört. Deswegen bin ich ihm dankbar.

Sie haben Snowden zur Vorbereitung auf die Rolle auch getroffen, nicht wahr?

Stimmt, ich war bei ihm in Moskau. Eine spannende Erfahrung. Ich war extrem neugierig auf ihn, denn in der Vergangenheit habe ich oft erlebt, dass Menschen in der Realität ganz anders sind, als sie in Interviews oder im Fernsehen wirken.

Wie haben Sie ihn denn erlebt?

Das erste, was mir an Snowden auffiel, war wie höflich er ist. Er stammt ja aus North Carolina, und es bewahrheitete sich tatsächlich, was man bei uns in den USA über die Menschen aus den Südstaaten sagt: sie legen verdammt viel Wert auf gute Manieren und Benehmen. Abgesehen davon hat mich beeindruckt, mit welcher Inbrunst er seine Ansichten vertritt. Er geht nicht leichtfertig mit seinen Überzeugungen um und steckt voller Leidenschaft. Dazu kommt, dass er geradezu besessen liest und deswegen ein faszinierender Gesprächspartner ist. Wenn es um Themen wie Technik, Computer oder auch internationale Politik geht, könnte man sich stundenlang mit ihm unterhalten.

Wie hilfreich ist es eigentlich, die reale Person kennenzulernen, die man dann für einen Film verkörpert? Setzt einen das nicht auch unter Druck?

Natürlich kommt da ein gewisser Druck ins Spiel, denn die Verantwortung ist eine andere, wenn es um einen echten Menschen geht. Aber das finde ich nicht zwingend hinderlich. Im Gegenteil ist es meistens eine große Inspiration. Bei einer fiktiven Figur muss man sich alles ausdenken, von der Art und Weise, wie jemand spricht, bis hin zu seinem Gang. Wenn man dagegen eine reale Person beobachten und sich mit ihr austauschen kann, schöpft man aus ganz anderen Quellen.

Schon im vergangenen Jahr haben Sie einen Mann gespielt, den Sie treffen konnten, den französischen Hochseilartisten Philippe Petit in The Walk...

Genau, und ich fand es hoch interessant, Parallelen zwischen ihm und Snowden zu entdecken. Beide sind unglaublich große Risiken eingegangen für etwas, das sie einfach tun mussten. Petit mit seinem Drahtseilakt zwischen den Türmen des World Trade Centers, Snowden mit seinen Enthüllungen. Natürlich lässt sich das inhaltlich nicht vergleichen, und beide Männer sind auch sehr unterschiedlich: Petit ist ein wunderlicher Künstler, Snowden ein analytischer Ingenieur. Aber beide besitzen unbeschreiblichen Mut.

In beiden Fällen haben Sie sich auch optisch in diese Männer verwandelt, obwohl Sie ihnen eigentlich gar nicht ähnlich sehen. Sind Sie gerne ein Chamäleon?

Oh, danke dass Sie dieses Wort in den Mund nehmen. Ich empfinde das als großes Kompliment, denn viele meiner Lieblingsschauspieler und Vorbilder bezeichnet man oft als Chamäleon. Daniel Day-Lewis ist einer davon, aber auch Gary Oldman oder Christian Bale. Wenn man deren Filme sieht, dann hat man nicht den Schauspieler vor Augen, sondern ausschließlich ihre Figur. Das ist für mich das, worum es mir bei der Schauspielerei geht. Ich finde nichts faszinierender, als mich in jemanden zu verwandeln, der mit mir persönlich nichts zu tun hat. Nicht einmal optisch.

Apropos Wandlung: Sie sind in diesem Jahr 35 geworden, feiern bald Ihren zweiten Hochzeitstag und wurden letztes Jahr zum ersten Mal Vater. Fühlen Sie, der ehemalige Kinderstar, sich inzwischen erwachsen?

Ich denke das könnte man sagen. Aber seien Sie mir nicht böse, wenn ich nicht weiter auf mein Privatleben eingehe. Ich habe meiner Frau immer versprochen, dass ich in Interviews nicht über sie und unseren Sohn spreche. Sie hat nicht das geringste Interesse an öffentlicher Aufmerksamkeit und das respektiere ich natürlich.

Selbstverständlich. Haben Sie denn aber selbst je unter diesem Interesse der Öffentlichkeit gelitten? Immerhin waren Sie noch keine zehn Jahre alt, als Sie Ihre ersten Fernseh- und Kinorollen spielten...

Nein, gelitten habe ich nicht. Allerdings waren das auch andere Zeiten. Damals in den Neunzigern war die Promi-Kultur eine andere, es gab noch nicht so viele Paparazzi und vom Internet hatte noch kaum jemand gehört. Was nicht heißt, dass ich als Teenager oft frustriert war von meinem Job. Aber das hatte andere Gründe.

Nämlich?

Damals kriegte ich viele Rollen nicht, die mich interessierten, weil ich für alle immer nur der langhaarige Bursche aus dem Fernsehen war. Das war schon frustrierend, denn obwohl mir die Rolle in der Sitcom «3rd Rock from the Sun» natürlich ein komfortables finanzielles Polster verschafft hatte, stand sie mir plötzlich richtig im Weg. Erst als ich dann aufs College ging und ein bisschen Abstand gewann, fand ich schließlich einen Weg aus dieser Sackgasse.

Liegt es auch an diesen Erfahrungen, dass Sie heutzutage nur noch Filme zu drehen scheinen, an denen Ihnen wirklich etwas liegt, statt gut bezahlter Nicolas Sparks-Adaptionen und Comic-Verfilmungen?

Mir fällt es nicht wirklich schwer, solche Projekte abzulehnen, auch wenn natürlich mein Agent und mein Manager manchmal die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber natürlich ist mir bewusst, dass diese Haltung auch ein enormer Luxus ist, den sich nicht jeder leisten kann oder will. Und auch ich war nicht immer in der Position, mir das zu erlauben. Insgesamt bin ich nun schon seit bald 30 Jahren in dieser Branche tätig, und es gab eine lange Phase, in der auch ich jeden Job angenommen habe, den ich kriegen konnte. Auch mal etwas abzulehnen, weil ich nicht restlos überzeugt davon bin, musste ich erst lernen. Vielleicht war das die Erfahrung, durch die ich dann wirklich erwachsen wurde.

Mit Don Jon haben Sie sich vor drei Jahren dann auch noch den Traum vom eigenen Film erfüllt und erstmals Regie geführt. Haben Sie diesbezüglich noch weitere Pläne?

Ich würde mich extrem freuen, bald wieder einen Spielfilm inszenieren zu können, und bin auch immer auf der Suche nach dem passenden Stoff. In der Zwischenzeit bin ich allerdings auch gut beschäftigt mit meiner Künstler- und Produktionsplattform hitRECord. Das ist ein Kollektiv für das ich, genau wie viele andere Filmemacher, Fotografen, Musiker oder Künstler Kurzfilme und ähnliche Projekte inszeniere. Das füllt meine kreativen Bedürfnisse voll aus. Gerade arbeiten wir an einer Videoreihe, die sich mit der Verknüpfung von Demokratie und Technologie beschäftigt. Sogar Edward Snowden persönlich hat dafür an einem der Filme mitgewirkt!

25. September 2016

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