Interview

Andrew Garfield: «Die grossen Fragen stellen»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

«Brauchen Sie Hilfe?» «Immer.» Gut gefönt, schlecht rasiert – hier sitzt «Spider-Man» und schafft es nicht, eine Tafel Schokolade zu öffnen: Andrew Garfield über Fussball, Mobbing und Justin Bieber.

Andrew Garfield: «Die grossen Fragen stellen»

Wir haben uns eben mit Ihrer Freundin Emma Stone unterhalten. Überraschung! Sie hat in den höchsten Tönen von Ihnen geschwärmt.

Oh, das ist so nett! Sie ist eine fantastische Schauspielerin, wie wir alle wissen. (lacht)

In Ihren gemeinsamen Szenen wirken Sie so gelöst – da scheint nichts gespielt.

Man will immer so wenig wie möglich machen. Man hofft einfach, dass man mit Schauspielern arbeitet, die gleich ticken. Emma, aber auch Jamie Foxx, Dane DeHaan, eine Sally Field: Sie alle wollen vergessen, dass sie jemanden spielen, und eine Kamera schaut zu. Einfach bei seinem Gegenüber zu sein: Darum geht's genau.

Und wie kommt man dahin?

Keine Ahnung. Manchmal gelingt's, meistens nicht.

Im Zimmer des Skateboarders Peter Parker hängt ein Dogtown & Z-Boys-Poster an der Wand. Ist das ein Film, den sich auch Andrew Garfield anschaut?

Den liebe ich. Mein Lieblingsdokumentarfilm aus der Ecke ist wohl Riding Giants, der Surfer-Film. Und ich muss ich mir dringend The Act of Killing ansehen. Der Trailer hat mich umgehauen, den habe ich mir mehrfach angeschaut. Für den Film hat mir bisher der Mut gefehlt. (lacht)

In älteren Interviews kommen Sie als Sonnyboy rüber – seit Spider-Man geben Sie sich meist ernsthaft und tiefsinnig. Was ist bloss passiert?

Ich glaube nicht, dass ich früher anders war. Ich war immer ich! Klar, geniesse ich die Position, die ich jetzt innehabe. Von dem leben zu können, für das man lebt, das ist ein grosses Privileg. Aber wer das Privileg hat, Geschichten zu erzählen, muss auch die grossen Fragen stellen. Ich arbeite auch nur mit Leuten zusammen, die das sehen wie ich: Wir sitzen am Lagerfeuer und wollen herausfinden, in welcher Geschichte wir stecken.

Ein ernstes Thema, das sich durch Spider-Man zieht: Da sind all diese Väter, die nicht da sind?

Als Junge baut man eine Beziehung zu seinem Vater auf – als Mann muss man sie neu verhandeln: Es gibt einen schönen Song von Cat Stevens, der über das Wesen dieser Dynamik spricht und die Notwendigkeit, weggehen zu müssen, um wiederkommen zu können.

Unsere Kultur ist stark von abwesenden Väter geprägt, vor allem in England und Amerika, und das hat tiefgreifende Folgen für die Kinder. Ich habe kürzlich einen Artikel gelesen, der dem Umstand nachgeht, dass Justin Bieber ohne Vater aufwuchs, der allerdings genau dann wieder auftauchte, als sein Sohn gross rauskam. Über die Gründe kann man nur mutmassen. (lacht)

Wobei man sagen muss: In Spider-Man sind die Väter vielleicht nur nicht da, aber die Mütter scheinen inexistent.

Das ist ein interessanter Punkt.

Auch ein schwieriges Thema, aus dem Sie aber nie ein Geheimnis machten: Sie wurden in der Schule gemobbt. Was sagen Sie Kindern, die das auch erleben müssen?

Dass sie nicht allein sind. Dass sie darüber reden sollen. Sie müssen wissen, dass diejenigen, die sie mobben, kaputt und krank sind. Dass die sich und ihr Leben nicht mögen und es an ihnen auslassen. Ich habe das damals nicht verstanden und dachte immer, mit mir stimme etwas nicht. Das ist Quatsch. Die Eltern müssen darüber reden. Aber klar: Die Kinder müssen den ersten Schritt machen.

Wie hat Sie dieses Trauma verändert?

Es gibt ja diese Vorstellung, dass unsere Wunden das grösste Geschenk sind, das wir haben. Ohne sie hätte ich Spider-Man nie kennen gelernt, hätte ihn nie gespielt und würde jetzt nicht mit Ihnen sprechen. Meine Wunde ist ein Geschenk. Man hat mich gemobbt, weil ich Gefühle hatte und sie zeigen konnte. Weil ich dünn war! Das hat sich in etwas Schönes verwandelt, es hat mich zum Schauspieler gemacht.

Sie sind in den USA geboren, aber in England aufgewachsen. Sind Sie mehr Amerikaner oder Engländer?

Beides zu gleichen Teilen, das ist eine glückliche Kombination. Ich bin laut und frei wie ein richtiger Ami. Ich kann aber auch verklemmt sein wie ein echter Brite. Filmisch fühle ich mich in England mehr zuhause.

Und Sie spielen den Fussball der Engländer – mit den Füssen.

Es macht ja null Sinn, dass die Amerikaner ihren Fussball Fussball nennen. Ein Riesenwitz!

Zwei Filme sind durch, bald geht's mit The Amazing Spider-Man 3 los: Wann kommt der Tag, an dem Sie sagen: Danke, Spidey, das war's?

Ich werde auf meinen Bauch hören. Im Moment weiss ich nicht, wohin die Reise noch geht.

Wie heilig ist Ihnen das Spider-Man-Kostüm?

Ich habe immer eines im Gepäck.

Tragen Sie's auch mal im Bett?

(lacht) Viel zu unbequem!

16. April 2014

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