Review19. Juni 2018

Netflix schickt Jon Hamm in «Beirut» zwischen die Fronten

Netflix schickt Jon Hamm in «Beirut» zwischen die Fronten
© High Wire IP, LLC

Das Eigengewächs aus dem Hause Netflix ist eine Mischung aus Agentenfilm und Politthriller – mit einem überzeugenden Jon Hamm («Mad Men») in der Hauptrolle, der als heruntergekommener Ex-Diplomat Mason Skiles an den Ort seines Schaffens zurückkehrt und dort zwischen die Fronten gerät.

Beirut, 1982: Zehn Jahre nachdem seine Frau bei einem Attentat getötet wurde, kehrt der ehemalige Diplomat Mason Skiles (Jon Hamm), der mittlerweile als Mediator in Gewerkschaftskonflikten tätig ist, in das krisengeschüttelte Libanon zurück. Dort soll er mithilfe seines Verhandlungsgeschicks die Freilassung seines alten Freundes Cal bewirken, der von einer palästinensischen Terrorgruppe festgehalten wird. Doch der ehemals angesehene Regierungsvertreter hat an Strahlkraft eingebüsst und ist mittlerweile ein dem Alkohol verfallener Witwer, der aber im Verlaufe der Story zu alter Stärke zurückfindet. Seine Mission entwickelt sich zum Alleingang, und schon bald findet er sich zwischen den Fronten wieder.

Komplex, actiongeladen und hochpolitisch

Wer sich den Nahen Osten als Schauplatz für einen Thriller aussucht, kommt wohl nicht darum herum, auch die politische Situation vor Ort in die Handlung einfliessen zu lassen. Das weiss auch Regisseur Brad Anderson, der sich bemühte, die damals herrschenden Konflikte im Libanon in seine Agentengeschichte einzubinden. Das kann spannend sein, dürfte bei fehlendem Vorwissen jedoch eher für Verwirrung sorgen, da der Plot auch ansonsten eher komplex ausfällt. Die Interessen verschiedener Konfliktparteien – Amerikaner, Israelis und die palästinensische Beifreiungsorganisation (PLO) – kollidieren und auch intern herrscht oftmals Uneinigkeit.

Der enorm voll gepackte Plot führt dazu, dass einige Themen nur oberflächlich angeschnitten werden und bedeutende Handlungselemente bloss in kurzen Sequenzen abgehandelt werden, die somit ihre Tragweite nicht richtig entfalten können. Dass trotzdem Spannung aufkommt, ist den gelungenen Actionszenen zu verdanken, die daraus resultieren, dass Mason Skiles auf die interne Stallorder der Amerikaner pfeift und sich auf einen riskanten Alleingang begibt.

Rosamund Pike entwickelt sich in «Beirut» vom Mauerblümchen zur taffen Draufgängerin.
Rosamund Pike entwickelt sich in «Beirut» vom Mauerblümchen zur taffen Draufgängerin. © High Wire IP, LLC

In einem Netz von Verstrickungen

Was der Story fehlt, macht Jon Hamm mit seiner schauspielerischen Leistung wieder wett. In einem Netz von Verstrickungen findet er sich als heruntergekommener Ex-Diplomat Mason Skiles wieder, der sich nach zehn Jahren Abwesenheit in Beirut mit seiner Vergangenheit konfrontiert sieht. Dabei gelingt Hamm eine äusserst nuancierte Darstellung seiner Figur: Nach dem Tod seiner Frau fällt er zwar in ein Loch – doch sein Fall endet nicht in Selbstaufgabe und auch bei seiner "Wiederinbetriebnahme" wird er nicht zum Helden hochstilisiert, sondern hat weiterhin mit seinen inneren Dämonen zu kämpfen, was Hamm äusserst authentisch rüberzubringen vermag. An seiner Seite spielt Rosamund Pike («Gone Girl»), die sich im Verlauf der Story vom weiblichen Lockvogel zur taffen Draufgängerin entwickelt, deren Motivation jedoch bis zum Ende undurchsichtig bleibt.

«Beirut» ist eine durchaus sehenswerte Mischung aus Politthriller und Agentenfilm, der jedoch viele Zusammenhänge und Handlungselemente unerklärt lässt und somit nicht sein ganzes Potenzial entfaltet – welches in Anbetracht der hochbrisanten Ausgangslage absolut vorhanden wäre. Die Spielzeit von 109 Minuten ist aber defintiv zu kurz, um allen Themen und Wendungen im Film genügend Raum zu geben.

Cineman-Sternewertung: 3 von 5 ★

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