Review15. Februar 2019

Netflix-Kritik: «The Umbrella Academy» – eine Superheldenserie mit schrägem Einschlag

Netflix-Kritik: «The Umbrella Academy» – eine Superheldenserie mit schrägem Einschlag
© Netflix

Übermenschliche Retter, wohin man schaut! Im Kino und im Fernsehen haben Superhelden nach wie vor Hochkonjunktur. Wenig verwunderlich also, dass Netflix nun die Gunst des Zuschauers mit einer Adaption der Comic-Reihe «The Umbrella Academy» gewinnen will.

Serien-Kritik von Christopher Diekhaus

Monumentale Schlachten, krachende Effekte und wenig Raum für ausführliche Charakterzeichnungen – vor allem auf der grossen Leinwand hat sich das Superheldengenre im Exzess eingerichtet und schafft es immer seltener, das Publikum zu überraschen. Einen spannenden, da intimeren Ansatz präsentierte kürzlich M. Night Shyamalan in «Glass», dem Abschluss einer originellen Trilogie über Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten. In eine ähnliche Kerbe schlägt Streaming-Riese Netflix mit seinem neuen Serienangebot «The Umbrella Academy», das auf den gleichnamigen Dark-Horse-Comics von Gerard Way basiert.

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Statt ständig dem Bombast zu frönen, wird das Superheldenphänomen auch hier auf einen persönlicheren Nenner heruntergebrochen und in Form einer Erzählung über eine dysfunktionale Familie verhandelt: Im Jahr 1989 kommen zur selben Zeit, aber an unterschiedlichen Orten 43 Babys zur Welt, deren Mütter vorher keine Anzeichen einer Schwangerschaft zeigten.

Sieben dieser zumeist mit besonderen Gaben ausgestatteten Kinder landen in der Obhut des Milliardärs Sir Reginald Hargreeves (Colm Feore), der die Heranwachsenden in der von ihm gegründeten Umbrella Academy zu mutigen Kämpfern gegen das Böse formen will. Sein strenges, herzloses Regiment lässt die von ihm bloss mit Zahlen benannten Zöglinge allerdings nach und nach das Weite suchen, bis Hargreeves sein grosses Haus nur noch mit dem weiblichen Roboter Grace (Jordan Claire Robbins) und dem als Hausdiener fungierenden Affen Pogo (Adam Godley) teilt.

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Als der schwerreiche Exzentriker unter mysteriösen Umständen aus dem Leben scheidet, kommen mit der Violinistin Vanya (sympathisch zurückgenommen: Ellen Page), dem monströs muskelbepackten Luther (Tom Hopper), der Schauspielerin Allison (Emmy Raver-Lampman), dem messerschwingenden Diego (David Castañeda) und dem Drogenjunkie Klaus (herrlich exaltiert: Robert Sheehan) fünf der adoptierten Kinder – Ben verstarb schon in jungen Jahren – zusammen und werfen sich umgehend Anschuldigungen an den Kopf.

Ihren besonderen Reiz zieht die Serie aus ihren kaputten, teilweise herrlich spleenigen Figuren.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Für handfestes Erstaunen sorgt das plötzliche Auftauchen ihres seit vielen Jahren vermissten Bruders Number Five (ein echter Szenendieb: Aiden Gallagher), der inzwischen 58 Jahre alt ist, aber noch immer im Körper eines Teenagers steckt und von einer unheimlichen Reise in eine apokalyptische Zukunft berichtet. Das Schicksal der Welt liegt offenbar in den Händen der zerrütteten Familie, die bereits von skrupellosen Auftragskillern (bedrohlich und ebenso komisch: Mary J. Blige und Cameron Britton) ins Visier genommen wird.

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«The Umbrella Academy» hebt sich durch Unangepasstheit ab.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Ihren besonderen Reiz bezieht die von Steve Blackman («Altered Carbon – Das Unsterblichkeitsprogramm») auf den Weg gebrachte Serie in erster Linie aus ihren kaputten, teilweise herrlich spleenigen Figuren. Mit Problemen schlägt sich nicht nur die in sich gekehrte Vanya herum, die als Einzige angeblich keine aussergewöhnliche Eigenschaft besitzt und deshalb seit jeher die familiäre Aussenseiterin ist.

Auch ihre Geschwister haben gewaltige Päckchen zu tragen, knabbern an herben Enttäuschungen und seelischen Verletzungen, über die der Betrachter von Folge zu Folge mehr erfährt. Die Macher nehmen sich Zeit, um das Profil der Protagonisten zu schärfen, und schaffen es, sie trotz ihrer übernatürlichen Qualitäten wie Menschen aus Fleisch und Blut wirken zu lassen.

Die Konflikte, Geheimnisse und Gefahren der ersten vier Folgen machen Lust auf mehr.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Actionakzente werden wohldosiert auf die Episodenhandlungen verteilt, gehen mit ihrem betont ironischen Anstrich manchmal vielleicht etwas zu sehr hausieren und fallen keineswegs immer familientauglich aus. Ob es einige eher explizite Folterszenen mit humorigem Unterton gebraucht hätte, ist sicher fragwürdig. Andererseits hebt sich «The Umbrella Academy» gerade durch seine unangepasste, schräge Einfärbung von konventionell gestrickten Superheldengeschichten ab.

Die Konflikte, Geheimnisse und Gefahren, mit denen man in den ersten vier, für diese Kritik begutachteten Folgen konfrontiert wird, machen Lust auf mehr und lassen einen spannenden Wettlauf gegen die Zeit vermuten. Bleibt nur zu hoffen, dass Blackman und Co die Charakterbögen ihrer eigenwilligen Hauptfiguren nicht aus dem Blick verlieren und dem üblichen Effekt-Overkill opfern.

3.5 von 5 ★

«The Umbrella Academy» ist ab Freitag, dem 15. Februar auf Netflix verfügbar.

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