Review3. Januar 2021

Netflix-Kritik «Equinox»: Düsterer Rätselstoff aus Dänemark

Netflix-Kritik «Equinox»: Düsterer Rätselstoff aus Dänemark
© Netflix

Nach der Endzeitproduktion «The Rain», die im Sommer 2020 mit der dritten Staffel ihren Abschluss fand, schickt Netflix nun seine zweite serielle Eigenproduktion aus Dänemark ins Rennen. «Equinox» erzählt eine verführerische Mystery-Geschichte, die erst zum Ende hin ins Straucheln kommt.

Serienkritik von Christopher Diekhaus

Gleich nach Veröffentlichung erster bewegter Promobilder verglichen viele Kommentatoren, nicht nur in der Presse, „Equinox“ mit dem deutschen Netflix-Hit «Dark», der von vermissten Personen, Zeitreisen und vielschichtigen Beziehungskonstellationen handelt. Inhaltliche und atmosphärische Ähnlichkeiten sind durchaus vorhanden. Die von Tea Lindeburg auf Basis ihrer eigenen Podcast-Reihe «Equinox 1985» entwickelte dänische Mystery-Serie schlägt allerdings dann doch einige andere Wege ein.

«Equinox» erzeugt ein Gefühl der Beklommenheit und animiert die Protagonistin zu einer spannenden, viele unwirtliche Schauplätze aufsuchenden Erkenntnisreise.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Das rätselhafte Verschwinden einer Abiturabschlussklasse im Jahr 1999, das den Plot ins Rollen bringt, weckt Erinnerungen an Peter Weirs eigenwillig verträumten, betont undurchsichtigen Horrorfilm «Picnic at Hanging Rock». Von einem Moment auf den anderen sind Ida (Karoline Hamm) und 20 ihrer feiernden, in einem Planwagen durch die Gegend ziehenden Mitschüler wie vom Erdboden verschluckt. Ihre Freunde Jakob (August Carter), Amelia (Fanny Bornedal) und Falke (Ask Truelsen) bleiben seltsamerweise verschont und stehen hinterher in Verdacht, mit den schleierhaften Vorgängen zu tun zu haben.

Der Verlust bedrückt sowohl Idas Eltern Lene (Hanne Hedelund) und Dennis (Lars Brygmann) als auch ihre neunjährigen Schwester Astrid (Viola Martinsen), die regelmässig von unheimlichen, mit den Geschehnissen in Verbindung stehenden Visionen verfolgt wird.

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21 Jahre später arbeitet Astrid (eindringlich verkörpert von Danica Curcic), inzwischen selbst Mutter einer kleinen Tochter und von ihrem Mann getrennt lebend, als Radiomoderatorin, kann sich von dem familiären Trauma aber nicht lösen. Erst recht nicht, als sie während einer ihrer Sendungen einen kryptischen Anruf von Jakob erhält, der angeblich weiss, was passiert ist, und sich mit ihr treffen möchte. Die junge Frau beschliesst, der Sache auf den Grund zu gehen, und macht sich auf den Weg nach Kopenhagen in der Hoffnung, Idas Verbleib endlich aufklären zu können.

Die Erzählung wechselt fortlaufend zwischen Gegenwart und Vergangenheit.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Dafür dass in «Equinox» übernatürliche Dinge am Werk sind, gibt es früh erste Anzeichen. Schon der geheimnisvolle Titel, der für den Zeitpunkt der Tagnachtgleiche steht, und der mit okkulten Elementen gespickte animierte Vorspann lassen erahnen, dass die Netflix-Original-Serie in mystische Gefilde vordringen wird. Ins Bild passen auch die unheilvollen Mahnungen der esoterisch angehauchten Lene gleich zu Anfang und Astrids Halluzinationen, die das verunsicherte Mädchen in eine schummrige, bedrohlich orange leuchtende Höhle führen.

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Wenn irgendwann eine sagenumwobene Insel und rituelle Elemente in den Fokus geraten, drängt sich ein weiteres Referenzwerk auf. Robin Hardys heute als Kultfilm gefeierter Folklore-Grusler «The Wicker Man» aus dem Jahr 1973, den Ari Aster in seinem genial-bizarren «Midsommar» 2019 gekonnt variierte, scheint ein wenig seine Spuren in «Equinox» hinterlassen zu haben.

Tea Lindeburgs Schöpfung erreicht die Verstörungskraft dieser beiden Arbeiten zwar nicht. Im Zentrum ihrer Serie steht aber sehr wohl ein aufregendes Geheimnis, das ein Gefühl der Beklommenheit erzeugt und die Protagonistin zu einer spannenden, viele unwirtliche Schauplätze aufsuchenden Erkenntnisreise animiert. Dabei wechselt die Erzählung fortlaufend zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Enthüllt wird in den Passagen aus dem Jahr 1999 zum einen Astrids persönlicher Leidensweg. Zum anderen nehmen wir Idas Perspektive ein und erfahren mehr über die Vorfälle vor ihrem mysteriösen Verschwinden.

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Astrids Recherche gestaltet sich gewiss nicht übermässig raffiniert. Und das Spiel mit den unterschiedlichen Zeitebenen ist weniger komplex als in «Dark». Die zum Teil fliessend inszenierten Sprünge zeigen allerdings sehr anschaulich, wie stark das Gestern ins Heute hineinwirkt. Der Schmerz ergreift spürbar noch immer Besitz von den Figuren. Das zumeist wohltuend unaufgeregte Tempo der sechs Folgen umfassenden Serie schlägt gegen Ende leider etwas in Hektik um. Gerade die letzte Viertelstunde greift, vor allem im Vergleich mit dem Vorangegangen, zu kurz – was den bis dahin recht positiven Eindruck leicht nach unten drückt.

3.5 von 5 ★

«Equinox» ist auf Netflix verfügbar.

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