Article22. November 2022

Mythos oder Wirklichkeit? 9 Fakten zur Netflix-Serie «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»

Mythos oder Wirklichkeit? 9 Fakten zur Netflix-Serie  «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»
© Netflix

Der massive Erfolg von True-Crime Shows wie Ryan Murphys Dramatisierung des Lebens eines Serienkillers in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» führte Netflix zum Entschied, weitere dieser Serienkiller-Miniserien zu machen. Diese Shows sind aber nicht ohne Kontroverse, denn sie dramatisieren wahre Begebenheiten. Welche der in Ryan Murphys Erfolgsserie dargestellten Ereignisse entsprechen der Wahrheit und was fiel der künstlerischen Freiheit zum Opfer?

Artikel von Gabriela Tscharner Patao

Hinweis:

Die folgenden Fakten verraten Plotdetails aus der gesamten Serie «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» (eng. «Dahmer - Monster: The Jeffrey Dahmer Story»), sowie aus der Doku-Serie «Jeffrey Dahmer: Selbstporträt eines Serienmörders» (eng. «Conversation with a Killer: The Jeffrey Dahmer Tapes»

1. Mit seiner ersten Leiche auf dem Rücksitz von der Polizei angehalten

Jeffrery Dahmer und Wendy Patrickus in der Dokumentation «Jeffrey Dahmer: Selbstporträt eines Serienmörders»
Jeffrery Dahmer und Wendy Patrickus in der Dokumentation «Jeffrey Dahmer: Selbstporträt eines Serienmörders» © Netflix

Einer der erstaunlichsten Fakten über Jeffrey Dahmer ist, wie oft er sich dank seiner gekonnten Rhetorik der Polizei entziehen konnte. In Folge 3 von «Dahmer - Monster: The Jeffrey Dahmer Story» sehen wir, wie der 18-jährige Dahmer (Evan Peters), mit den Überresten seines ersten Opfers Steven Hicks (Cameron Cowperthwaite) in Abfallsäcken auf dem Rücksitz von der Polizei angehalten wird.

Nachdem er den Autostöppler nach Hause nahm und ihn mit einer Hantel erschlug, schlingerte Dahmer um 3 Uhr morgens im Auto seiner Eltern die Strasse entlang. Als ihn der Verkehrspolizist auf Alkohol testete, überzeugte er den Cop davon, dass er nicht schlafen konnte und nur den Abfall seiner Eltern entsorgen wollte.

Eine Szene, die sich in Dahmers Leben auch so abgespielt hat, wie die Netflix Dokumentation «Jeffrey Dahmer: Selbstporträt eines Serienmörders» bestätigt. Diese lässt den Serienkiller nämlich selbst zu Wort kommen. In ihrem Zentrum stehen Tonbänder, die von der jungen Anwältin Wendy Patrickus aufgenommen wurden, die 1991 Teil des Verteidigungsteams von Jeffrey Dahmer war und damit beauftragt wurde, die Aussagen des Massenmörders auf Kassette aufzunehmen.

Patrickus ist überzeugt, dass dieser Zwischenfall in Dahmers Leben einschneidend war. «Dass er mit Hicks Leiche auf dem Rücksitz ungeschoren davonkam, bewies Jeff, dass er Leute manipulieren konnte».

2. Nach dem ersten Mord machte er neun Jahre Pause

Nick Fisher als Jeffrey Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»
Nick Fisher als Jeffrey Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» © Netflix

Die Serie «Dahmer - Monster: The Jeffrey Dahmer Story» versucht zwar, ein wahrheitsgetreues Bild der Geschichte dieses Serienmörders aufzuzeigen, gewisse Details mussten jedoch der Dramaturgie weichen, wie z.B. die Tatsache, dass Dahmer nach seinem ersten Mord neun Jahre Pause machte.

In Ryan Murphys Serie wird den Rückblenden in seine Kindheit und dem Familienleben des Mörders viel Zeit gewidmet, was aber unser Verständnis der Zeitlinie der Morde verschwimmen lässt. Während seine Aktivität als Massenmörder zwar die Jahre zwischen 1978 bis 1991 umspannt, hatte Dahmer nach seinem ersten Mord eine 9-jährige Strecke, in der er niemanden umbrachte.

In dieser Zeit wurde er jedoch in der Schwulenszene von Milwaukee als Sexualtäter bekannt, der in Bars und Badehäusern junge Männer aufriss, sie mit Drogen beteubte und misshandelte. Bradley Babush, der Manager eines dieser Etablissements, alarmierte die Polizei. Die verhörte Jeffrey Dahmer auch, liess ihn aber wieder laufen, weil keines der Opfer Anzeige erstatten wollte.

3. Dahmer hatte eine Bewährungshelferin

Richard Jenkins als Lionel Dahmer, Molly Ringwald als Shari, Penelope Ann Miller als Joyce Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»
Richard Jenkins als Lionel Dahmer, Molly Ringwald als Shari, Penelope Ann Miller als Joyce Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» © Netflix

1989 wurde Dahmer endlich zu einer 12-monatigen Gefängnisstrafe und fünf Jahren Bewährung für die sexuelle Nötigung eines Minderjährigen, dem Bruder seines späteren Opfers Konerak Sinthasomphone, verurteilt. Der Richter William Gardner urteilte jedoch, dass eine psychiatrische Behandlung angebracht wäre und liess Dahmer tagsüber das Gefängnis verlassen, um seinen Job in der Ambrosia Schokoladenfabrik weiterführen zu können.

Nachdem er sich als Sexualverbrecher registrieren liess, meldete er sich regelmässig bei seiner Bewährungshelferin Donna Chester, eine Tatsache, die Murphys Serie nicht erwähnt wird. Chester sah Dahmer während Jahren, das letzte Mal in seiner Wohnung, sieben Tage vor seiner letzten Verhaftung. Sie wusste nicht, dass sich Jeremiah Weinbergers Kopf im Kühlschrank befand und vier weitere Schädel, drei kopflose Oberkörper, zwei Herzen und diverse Genitalien in der Wohnung verstreut waren.

4. Dahmer trank keine Blutkonserven

Evan Peters als Jeffrey Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»
Evan Peters als Jeffrey Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» © Netflix

Nachdem er vom Militärdienst suspendiert wurde, der ihn zum Sanitäter ausbildete, landete Dahmer einen Job im Milwaukee Blutplasma Zentrum. In der vierten Folge der Netflix Serie wird gezeigt, wie er eine Konserve nach Hause nimmt und das Blut in grossen Schlucken gleich aus dem Beutel trinkt. Dahmer hat zwar in der Blutbank gearbeitet, aber in einer Polizeiaussage gestand er, dass er zwar das Blut gekostet hatte, es aber gleich wieder ausspuckte.

5. Glenda Cleveland wohnte nicht in der Wohnung nebenan

Niecy Nash als Glenda Cleveland in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»
Niecy Nash als Glenda Cleveland in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» © Netflix

In der 2. Folge von «Dahmer - Monster: The Jeffrey Dahmer Story» sehen wir Dahmers Nachbarin Glenda Cleveland (grossartig gespielt von Niecy Nash), wie sie die Polizei ruft, als ihre Tochter Sandra (Dia Nash) und Nichte Nicole den 14-jährigen Konerak Sinthasomphone (Kieran Tamondong) nackt, voller Drogen und mit einem Loch im Kopf vor den Oxford Apartments auffanden.

Er schaffte es, sich aus Jeffrey Dahmers Klauen zu befreien, nur um von der Polizei prompt wieder zu seinem Peiniger zurückgeschickt zu werden. Der Serienkiller überzeugte die Polizisten John Balcerzak (Scott Michael Morgan) und Joseph Gabrish (Matthew Alan), dass der Junge sein betrunkener, 19-jähriger Boyfriend sei.

Tatsächlich lebte Glenda Cleveland aber nicht in den Oxford Apartments, sondern im Haus nebenan. In der Wohnung neben dem Serienkiller wohnte Pamela Bass. Die Figur Glenda Cleveland in Murphys Serie ist eine Fusion dieser beiden Frauen. Für den Deep-Dive wäre die Dokuserie «The Jeffrey Dahmer Files» aus dem Jahre 2012 zu empfehlen, die es auf Amazon Prime zu mieten gibt.

Darin spricht Bass darüber, dass sie mit Dahmer einen freundlichen Umgang hatte, bis sie das Zersägen von Knochen und die Schreie der Opfer hörte und sich mit dem Gestank faulenden Fleisches auseinandersetzen musste. Glenda Cleveland hat Dahmer nie persönlich getroffen, sie ruf aber wiederholt im Polizeirevier an, um sich nach Konerak zu erkunden, bis ihr schliesslich gesagt wurde, sie solle den Polizeinotruf nicht mehr missbrauchen.

6. Nicht Polizisten des Jahres

Mark Weiler als Polizist, Evan Peters als Jeffrey Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»
Mark Weiler als Polizist, Evan Peters als Jeffrey Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» © Netflix

Balcerzak und Gabrish wurden nicht, wie in der Show porträtiert, zu den Polizisten des Jahres gewählt. «Dahmer - Monster: The Jeffrey Dahmer Story» zeigt auf, dass der Serienkiller ohne den Rassismus und die Homophobie der Polizei in Milwaukee nicht so lange unbehelligt hätte morden können. Nach Dahmers Verhaftung wurden die Polizisten zunächst suspendiert. Sie legten aber Rekurs ein und wurden 1994 wiedereingesetzt und Balcerzak wurde nach einer erfolgreichen Karriere sogar zum Präsidenten der Milwaukee Polizeigewerkschaft gewählt.

7. Das Menschenfleisch Sandwich

«DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»
«DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» © Netflix

In Folge 7 von «Dahmer - Monster: The Jeffrey Dahmer Story» kommt es zum Showdown zwischen dem Serienkiller und seiner Nachbarin Glenda Cleveland. Ihre Beschwerden über den faulen Geruch aus Dahmers Wohnung führten zur Kündigung seines Mietvertrags. Als er zur Versöhnung ein Fleischsandwich auf Glenda Clevelands Wohnzimmertisch setzt und die Nachbarin zum Essen auffordert, wird es der mutigen Frau zu Recht mulmig im Magen. Sie hegt schon seit einiger Zeit den Verdacht, dass es sich beim faulen Geruch um rottendes Menschenfleisch handelt.

Diese Szene entspricht der Wahrheit, denn mehrere von Dahmers Nachbarn in den Oxford Apartments sind davon überzeugt, dass der Mörder ihnen Menschenfleisch angeboten hat. «Er war sehr freundlich und teilte gerne», erinnert sich Pamela Bass in «The Jeffrey Dahmer Files» daran, dass ihr der Killer bei Gelegenheit ein Fleischsandwich gegeben hat. «Ich habe wahrscheinlich die Körperteile eines Menschen gegessen».

8. Dahmer trug beim Prozess keine Brille

Ron Bush als Jeffreys Anwalt, Evan Peters als Jeffrey Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer»
Ron Bush als Jeffreys Anwalt, Evan Peters als Jeffrey Dahmer in «DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» © Netflix

Im Gegensatz zur Nachstellung in der TV-Serie trug Dahmer während des Prozesses nicht die Pilotenbrille, für die er bekannt geworden war. In einem Interview mit der amerikanischen TV-Show «Inside Edition» erklärte er seine Vorliebe für die Sehhilfe folgendermassen: «Ich wollte niemandem direkt ins Gesicht schauen, das bereitete mir Unbehagen. Die Brille hat mir geholfen, mich von den Umständen zu distanzieren.» Verständlich, nur, in einem Gerichtssaal nicht hilfreich. Wahrscheinlich wurde ihm vom Tragen der Sonnenbrille abgeraten, damit die Jury seine Augen sehen konnte.

9. Kalkulierter Mörder oder Geisteskranker

Wendy Patrickus und Jeffrery Dahmer in der Dokumentation «Jeffrey Dahmer: Selbstporträt eines Serienmörders»
Wendy Patrickus und Jeffrery Dahmer in der Dokumentation «Jeffrey Dahmer: Selbstporträt eines Serienmörders» © Netflix

Ryan Murphy hat mit «Dahmer - Monster: The Jeffrey Dahmer Story» die Geschichte aus der Sicht der Opfer, Familienmitglieder und Nachbarn und nicht der des Täters erzählen wollen. Ausführliche Rückblenden in Dahmers traumatische Kindheit scheinen sein abartiges Verhalten erklären zu wollen und beschreiben den Missbrauch durch seine homophobischen Eltern, die sich ständig und gewalttätig stritten.

Dahmers Vater Lionel (Richard Jenkins) gibt in seinen Memoiren seiner Ex-Frau Joyce (Penelope Ann Miller) und ihrer Pillensucht während der Schwangerschaft die Schuld an Jeffreys Verhalten und in einer Szene in Folge 7 gesteht er seiner zweiten Frau Shari (Molly Ringwald) sogar, dass er als Kind in der Kirche manchmal selber Gedanken an Mord hatte. Während die Serie Dahmers Kindheitstrauma thematisiert, scheint sie jedoch den Standpunkt zu vertreten, dass seine strategische Jagd auf schwarze Opfer, die von der Polizei von Milwaukee nur wenig Schutz erfuhren, auf einen kalkulierten Mörder hinweisen.

Tatsache ist, dass Jeffrey Dahmer von drei Gerichtsgutachtern als geisteskrank erklärt wurde. Sie diagnostizierten eine zwanghafte Nekrophilie, sowie Borderline-, dissoziale, schizoide und schizotypische Persönlichkeitsstörungen, weshalb Dahmers Verteidigungsteam, zu dem Wendy Patrickus gehörte, nicht zurechnungsfähig plädierte.

Die Staatsanwaltschaft war jedoch anderer Meinung, weil Dahmer sich zu jeder Zeit bewusst war, dass seine Taten widerrechtlich waren. In den Gesprächen mit Wendy Patrickus, die im Dokumentarfilm «Jeffrey Dahmer: Selbstporträt eines Serienmörders» in Aufzeichnungen zu hören sind, liefert Dahmer ein Motiv für seine Morde. «Die grundlegende Kraft scheint mein deformierter Geschlechtstrieb zu sein», hört man die Stimme des homosexuellen Massenmörders sachlich sagen. «Die ständigen Gefühle der Leere, dass ich nichts im Leben finden kann, dass mir Glück, Frieden und Erfüllung bringt. Ich habe immer nach mehr gesucht.»

Am 15. Februar 1992 wurde Dahmer von einer Jury für zurechnungsfähig erklärt und wurde zu 16 aufeinanderfolgenden Lebensstrafen im Hochsicherheitsgefängnis verurteilt. Zwei Jahre später wurde er von einem Mithäftling ermordet. «Ich bin nicht sicher, dass ich je Liebe erfahren habe», sagte Dahmer im Gespräch mit Wendy Patrickus. «Ein Mensch, der lieben kann, macht solche Dinge doch nicht.»

Wo gibt's was zu sehen

«Jeffrey Dahmer: Selbstporträt eines Serienmörders» (2022)

Dokumentation, Biografie, True-Crime

3 Episoden à ca. 60 Minuten

Hier geht's zur Serie auf Netlix.

«DAHMER - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» (2022)

Biografie, True-Crime, Drama

10 Episoden à 45-63 Minuten

Hier geht's zur Serie auf Netlix.

«The Jeffrey Dahmer Files» (2012)

Dokumentation, Biografie, True-Crime

Film à 76 Minuten

Hier geht's zum Film on Demand auf Amazon Prime.

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