Interview25. Januar 2020

Newcomer Jan Bülow im Interview: "An Udo Lindenberg kommt man nicht vorbei"

Newcomer Jan Bülow im Interview: "An Udo Lindenberg kommt man nicht vorbei"
© DCM Film

Vor seinem grossen Durchbruch 1973 in Hamburg war das Leben von Udo Lindenberg voller Hürden – doch der heute 73-Jährige machte, wie er es selbst besingt, unbeirrt sein Ding. Der 23-jährige Shootingstar Jan Bülow verkörpert den jungen Rocker im Biopic «Lindenberg! Mach dein Ding» und verrät uns im Interview zusammen mit Regisseurin Hermine Huntgeburth, was es für eine Künstlerkarriere braucht, welcher Song ihm zur Rolle der Rocklegende verhalf, und wie wichtig Zufall sein kann.

Wie kommt man dazu, die Rolle von Udo Lindenberg zu spielen?

Jan Bülow: Bestechung! (lacht) Nein, aber manchmal sind es kleine Dinge, die entscheiden, ob man irgendwo reinkommt. Mich hat ein Kommilitone während extrem anstrengenden Proben für ein Theaterstück darauf hingewiesen, dass gerade ein Casting für die Rolle von Udo Lindenberg stattfinden würde. Daraufhin habe ich sofort meinen Agenten angerufen. Der war sehr skeptisch, weil sich viele bekannte deutsche Schauspieler für die Rolle interessierten, riet mir aber, ein Video einzusenden.

Mein Onkel empfahl mir für die Aufnahme den Song Andrea Doria – aber Andrea Doria ohne Begleitung, das geht nicht. Deshalb habe ich einen Kumpel gefragt, ob er mich mit dem Klavier begleiten würde. Das haben wir auf der Probebühne mit dem Handy aufgenommen, sogar zwei Versionen – eine mit Backgroundsängerinnen. Die einfachere Version, nur 30 Sekunden lang, habe ich eingeschickt. Der Rest lief dann ein wenig so ab wie eine Castingshow: Ich bin von Runde zu Runde gekommen. Angefangen hat aber alles mit einem Zufall.

Hermine Huntgeburth: Und deine Dozentin Steffi Kühnert hat dich bei der Casterin Simone Bär vorgeschlagen.

Jan Bülow: Stimmt, ich wäre vielleicht auch über andere Wege zur Rolle gekommen. Bjarne Mädel hat auf seinen Erfolg angesprochen mal in einem Interview gesagt, er habe einfach eine Menge Glück. Es gibt diesen schönen Spruch: "Eine Künstlerkarriere ist etwas Sein, ein bisschen Schein und ganz viel Schwein". Man braucht manchmal das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Hermine Huntgeburth: Genau, absolut.

Jan Bülow: Es gibt in Hollywood zum Beispiel die verrücktesten Geschichten von Schauspielern, die in letzter Minute von einer Rolle abgesprungen sind und damit anderen eine Chance gegeben haben, die sonst nie zum Zuge gekommen wären. Christoph Waltz war zum Beispiel kurz vor dem Aufhören deswegen.

Hermine Huntgeburth: Christoph Waltz wurde von den Redakteuren des Deutschen Fernsehens kategorisch abgelehnt, weil man ihn nicht sympathisch fand.

Nach dem Casting musste ich eine halbe Packung Zigaretten durchrauchen.– Jan Bülow

Wie sah die Suche nach einem passenden Darsteller von Seiten der Castingverantwortlichen aus?

Hermine Huntgeburth: Es war ein langer Prozess. Bei den Schauspielern, die wir eingeladen haben, fehlte mir lange Zeit etwas: Ich wollte jemanden, der Rock'n'Roll, Selbstironie und etwas eigenes hat, der gleichzeitig aber sensibel und ein guter Schauspieler ist. Bei Kandidaten ab 25 Jahren war eine Reife vorhanden, die gar nicht zu dieser Figur passt. Zum Schluss war es dann Jan, doch das hat bei den anderen einiges an Überzeugungsarbeit gekostet, weil er sehr unbekannt ist. Nach dem Musikcasting – wir haben im Studio Songs aufgenommen – waren dann aber alle restlos überzeugt.

Jan Bülow: Und ich hatte nach beiden Castings das Gefühl, ich hätte es verkackt. Nach dem ersten Casting bei Simone Bär, einer sehr bekannten Casterin in Berlin, hatte ich eigentlich seit zwei Monaten aufgehört zu rauchen, doch danach musste ich gleich eine halbe Packung Zigaretten durchrauchen (lacht). Es gibt aber diesen Spruch am Theater: Wenn sich ein Schauspieler auf der Bühne gut fühlt, dann läuft etwas schief.

Hermine Huntgeburth: Stimmt. Wenn man sich zu gut fühlt, dann verliert man die benötigte Spannung.

Der Sohn eines Klempners: Das Biopic beleuchtet Udo Lindenbergs Anfänge seiner erfolgreichen Karriere als deutscher Rockmusiker.
Der Sohn eines Klempners: Das Biopic beleuchtet Udo Lindenbergs Anfänge seiner erfolgreichen Karriere als deutscher Rockmusiker. © DCM Film

Apropos Selbstwahrnehmung: Hast du dir den Film selbst angeschaut?

Ja. Ich muss aber zugeben, dass ich immer Angst davor habe, mich selbst zu sehen – deshalb habe ich zum Anschauen des Rohschnitts meine Freundin und meinen Bruder mitgenommen, die mir dann ganz ehrlich Feedback geben sollten.

Man kann sich aber gar nicht vorstellen, wie gross der Unterschied zum fertigen Film ist, wenn der Ton ganz abgemischt ist und die Soundeffekte eingebaut sind.

Hermine Huntgeburth: Und auch wenn die Visual Effects gemacht sind.

Jan Bülow: Genau. Und der Ton ist so wichtig. An alle jungen Leute da draussen kann ich nur sagen: Geht ins Kino! Das ist viel geiler als zu Hause vor dem TV etwas auf Netflix anzuschauen. Ich gehe bis zu vier Mal pro Woche ins Kino.

Jan Bülow im Trailer zu «Lindenberg! Mach dein Ding»©

Welche Beziehung hattet ihr zu Udo Lindenberg vor dem Film?

Hermine Huntgeburth: Wir waren in den 70er-Jahren beide in Hamburg, ich habe dort die Kunsthochschule besucht und war in der Theater- und Filmszene unterwegs, er in der Musikszene. Natürlich habe ich seine Karriere aber verfolgt, er war von 1973 bis heute ja immer präsent: Diese schillernde Persönlichkeit, die immer in Hotels gewohnt hat. Und ich habe als Musikkonsumentin seine Platten gehört.

Jan Bülow: Man kommt an Udo Lindenberg nicht vorbei – nicht nur an seinen alten Werken, auch in meiner Generation weiss jeder und jede, wer das ist. Sogar als ich hier in Zürich war [Anm. d. Red.: Jan Bülow war in der Saison 2018 / 2019 festes Ensemble-Mitglied im Schauspielhaus Zürich] habe ich das gemerkt: Jeder kennt zumindest seinen Namen.

Udo Lindenberg ist diese schillernde Persönlichkeit, die nur in Hotels wohnt.– Regisseurin Hermine Huntgeburth

In meinem Leben ist er als Figur immer mal wieder aufgetaucht – zum Beispiel wohnten die Eltern eines Kumpels von mir in der Budapesterstrasse in Berlin, direkt gegenüber vom InterContinental Hotel, in dem er eine kurze Zeit gewohnt hat. So richtig habe ich mich vor dem Film aber nicht ausgekannt.

Mich interessieren die wahren Begebenheiten aber immer, zum Beispiel wenn ich Drehbücher lese: Dann habe ich das Smartphone neben mir und google, ob gewisse Dinge stimmen oder nicht. Beim Drehbuch von «Lindenberg! Mach dein Ding» war das schon auf Seite 3 der Fall: Die Anfangszene in der Wüste hat mich irritiert – ich habe mich gefragt, was Udo dort gesucht hat. Er war aber tatsächlich in Libyen.

Hermine Huntgeburth: Das wissen wohl die wenigsten, dass Udo mit 17 Jahren in Libyen als Trommler unterwegs war, er ist ein exzellenter Schlagzeuger und hat später auch bei etablierten Jazz-Grössen gespielt. Er wollte aber immer seine eigenen Sachen machen, das hat unter der Oberfläche gebrodelt. Spannend ist, dass der Film diesen musikalischen Werdegang zeigt – Udo, als er jung war, ohne den bekannten Hut, mit dem wir ihn heute als 73-Jährigen kennen.

«Lindenberg! Mach dein Ding» ist ab sofort in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.

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