Review12. August 2019

«Die fruchtbaren Jahre sind vorbei»: Eine herzhaft freche Schweizer Komödie über eine tickende biologische Uhr

«Die fruchtbaren Jahre sind vorbei»: Eine herzhaft freche Schweizer Komödie über eine tickende biologische Uhr
© Cineworx

Natascha Bellers Regiedebüt ist eine herzhaft freche Komödie um die Kinder- und Karrierewünsche von drei Schweizerinnen Mitte dreissig.

Filmkritik von Irene Genhart im Rahmen des Locarno Film Festival

Bisher nahm die 34-jährige Leila ihr Leben wie es kam: Derweil ihre Schwester Amanda Architektur studierte und ihre beste Freundin Sophie blutjung Mutter wurde, hat sie sich vor acht Jahren verliebt und es sich mit ihrem Freund in einem Dorf in Zürichs Agglomeration gemütlich eingerichtet. Doch nun heiratet Amanda. Und als Leila herausfindet, dass ihre Schwester schwanger ist, hört sie plötzlich ihre eigene biologische Uhr ticken: Kann doch nicht sein, dass ausgerechnet sie, die seit Jahren in einem Kinderwarenhaus jobbt und wann immer nötig Sophies Tochter hütet, selber kein Kind hat! Sie stellt ihrem Freund ein Ultimatum und fällt aus allen Wolken, als dieser das Weite sucht.

Das Erzähltempo ist rassig. Die einzelnen Szenen sind mehrheitlich komisch, manche gar grotesk, die in Mundart gehaltenen Dialoge nicht immer geschliffen, aber meist frisch frech und pointiert.– Cineman-Filmkritikerin Irene Genhart

Leila (rechts) hört plötzlich ihre biologische Uhr ticken. © Cineworx

Leilas Kinderwunsch ist damit allerdings nicht vom Tisch. Im Gegenteil: Leila will, wie sie eines Tages trotzig auf den Ladentisch steigend lauthals verkündet: ein Kind, einen Mann, eine Katze, oder besser zwei. Das alles vor ihrem 35. Geburtstag. Derweil sie halbherzig ihrem Ex nachtrauert, stürzt sie sich in den Beziehungsmarkt. Klickt sich durch Partnervermittlungsplattformen, lernt beim Speeddating diverse Phobien kennen und stellt beim Ausgang im Zürich fest, dass sie für normale Clubs zu alt ist, die Besucher von Ü30-Veranstaltungen im Schnitt aber zwanzig Jahre älter sind als sie…

Etwas ins Hintertreffen geraten in Bellers Film die stereotyp gezeichneten Männerfiguren.– Cineman-Filmkritikerin Irene Genhart

Für einen Schweizer Film ungewöhnlich, schreibt sich das Regiedebüt von Natascha Beller ins Genre der «Broad Comedy» (etwa: der derben Klamauk-Komödie) ein. Unterlegt mit bissigem Sarkasmus und pointiert gesellschaftskritisch, vermag er dabei über weite Strecken zu überzeugen. Das Erzähltempo ist rassig. Die einzelnen Szenen sind mehrheitlich komisch, manche gar grotesk, die in Mundart gehaltenen Dialoge nicht immer geschliffen, aber meist frisch frech und pointiert. Auch überzeugen die drei Hauptdarstellerinnen – Michèle Rohrbach (Leila), Anne Haug (Sophie) und Sarah Hostettler (Amanda) – durch seriöses darstellerisches Können ebenso wie durch eine spielerische Lust am Absurd-Komischen.

Sarah Hostettler (Amanda) und Michèle Rohrbach (Leila) überzeugen in «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei» nicht nur durch ihr darstellerisches Können. © Cineworx

Etwas ins Hintertreffen geraten in Bellers Film allerdings die stereotyp gezeichneten Männerfiguren. Auch gut getan hätte dem sichtbar sketchmässig aufgezogenen Film, wenn man Story und Figuren Trotz aller genrebedingten Leichtfüssigkeit ein bisschen mehr Tiefe verliehen hätte. Doch das ist Kritik auf hohem Niveau; grundsätzlich ist «Die furchtbaren Jahre sind vorbei» eine herzhaft freche und unterhaltsame Komödie, wie sie in der Schweiz nur selten entsteht.

4 von 5 ★

«Die fruchtbaren Jahre sind vorbei» ist ab dem 29. August in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.

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