Article10. September 2021

Filmtagebuch: Der Horrorfaible des James Wan

Filmtagebuch: Der Horrorfaible des James Wan

Wer über das moderne Horrorkino spricht, kommt um den Namen James Wan nicht herum. Mit seinem zweiten Spielfilm, dem 2004 gestarteten Schocker „Saw“, setzte der in Malaysia geborene und in Australien aufgewachsene Regisseur und Drehbuchautor ein dickes Ausrufezeichen, das nicht nur eine langlebige Reihe aus der Taufe hob, sondern auch zahlreiche Nachahmer auf den Plan rief.

Christopher Diekhaus

Noch heute gilt «Saw» als ein Beispiel für das Subgenre des sogenannten «Torture Porn», eine von US-Kritiker David Edelstein geprägte Wendung, die Werke meint, in denen sadistische Grausamkeiten zu zentralen Handlungsbestandteilen werden. Dass sein Interesse über harte Horrorkost hinausgeht, stellte James Wan seit der «Saw»-Veröffentlichung wiederholt unter Beweis. Nach mehreren klassischen Spukbeiträgen und den gruselfernen Blockbuster-Produktionen «Fast & Furious 7» und «Aquaman» legt er mit «Malignant» nun eine Hommage an die abgründige Giallo-Spielart vor, die die Italiener Mario Bava und Dario Argento in den 1960er und 1970er Jahren populär machten. Grund genug, einen Blick auf die düsteren Regiearbeiten Wans zu werfen.

1. «Saw» (2004)

Darum geht’s: Der Arzt Dr. Gordon (Cary Elwes) und der Fotograf Adam (Leigh Whannell) kommen, angekettet in entgegengesetzten Ecken eines versifften Badezimmers, zu sich und haben zunächst keinen blassen Schimmer, wie sie an diesen unbekannten Ort gelangt sind. Über ein Tonband erhalten sie nach und nach Hinweise darauf, wie sie sich angeblich aus ihrer misslichen Lage befreien können. Irgendwann wird klar, dass sie Teilnehmer eines brutalen Spiels sind, das ein von den Polizisten David Tapp (Danny Glover) und Steven Sing (Ken Leung) gejagter, sich zum Moralapostel aufplusternder Serienmörder ausgeheckt hat.

Sehenswert, weil… der Film mit immer neuen Wendungen überrascht und seine Figuren vor viele schmerzhafte Entscheidungen stellt. Anders als es das Torture-Porn-Label vermuten lässt, ist der von Wan inszenierte und mit seinem Studienfreund Leigh Whannell entwickelte Streifen keine selbstzweckhafte Foltershow. Das die Erwartungen des Publikums immer wieder unterlaufende Drehbuch konzentriert sich nicht nur auf die beiden Gefangenen und ihre Befreiungsversuche, sondern lässt über eine effektive Rückblendenstruktur die Hintergründe ihrer schrecklichen Situation zunehmend konkreter werden. «Saw» kann sich sicherlich nicht mit David Finchers vielkopiertem Serienkillerthriller «Sieben» messen, erzeugt aber eine ganz eigene finstere Dynamik samt niederschmetterndem Schluss-Twist. Leider tendieren die aus dem Ursprungszenario entstandenen Fortsetzungen deutlich stärker in Richtung stumpfsinniger Gewaltdarstellungen.

4 von 5 ★

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2. «Dead Silence» (2007)

© IMDb

Darum geht’s: Als Jamie Ashen (Ryan Kwanten) und seine Ehefrau Lisa (Laura Regan) von einem unbekannten Absender eine seltsame Bauchrednerpuppe namens erhalten, gerät ihr Leben völlig aus den Fugen. Lisa kommt kurz darauf grausam zu Tode. Und Jamie findet sich plötzlich als Verdächtiger im Visier des Mordermittlers Detective Lipton (Donnie Wahlberg) wieder. Auf der Suche nach Antworten verschlägt es den Witwer in seine Heimatstadt, wo er der unheilvollen Geschichte der Bauchrednerin Mary Shaw nachspürt und von einem besonders hartnäckigen Fluch erfährt.

Weniger packend als «Saw»: Ein schreckliches Verbrechen, die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln, ein dunkles Familiengeheimnis und eine Puppe, die ein mörderisches Eigenleben führt – «Dead Silence» greift zahlreiche vertraute Genremotive auf, entfaltet trotz einiger Handlungsschlenker aber keinen echten Sog. Klappte der Spannungsaufbau in ihrer vorherigen Gemeinschaftsarbeit «Saw» noch recht gut, setzen James Wan und Leigh Whannell hier nicht immer die richtigen Akzente. Mit «Dead Silence» schwenkt der australische Regisseur in seinem Schaffen vom harten Psychoterror zum gediegenen Grusel um, dem er in der Folge mit seinen Arbeiten teilweise neues Leben einhauchen konnte.

3. «Insidious» (2010)

Darum geht’s: Nach dem Einzug der Familie Lambert in ein neues, grosszügiges Haus kommt es zu zunächst nur zu kleinen Irritation im Alltag. Eines Tages stürzt der älteste Sohn Dalton (Ty Simpkins) jedoch von einer Leiter auf dem Dachboden und fällt anschließend ins Koma. Mutter Renai (Rose Byrne) und Vater Josh (Patrick Wilson) beschleicht daraufhin das Gefühl, dass ihr Heim verflucht sein könnte. Um dem Schrecken zu entkommen, ziehen die Lamberts abermals um. Weil die unheimlichen Ereignisse aber auch damit nicht abreißen, wenden sie sich hilfesuchend an Elise Rainier (Lin Shaye), eine in paranormalen Angelegenheiten bewanderte Bekannte von Joshs Mutter Lorraine (Barbara Hershey).

Okay, aber nicht mehr: Die dritte Zusammenarbeit der Buddys James Wan und Leigh Whannell folgt den Mustern des klassischen Haunted-House-Subgenres, auch wenn «Insidious» einen kleinen Dreh bereithält. Erfreulicherweise fällt der Gruselbeitrag nicht mit der Tür ins Haus, sondern führt das Publikum behutsam in das Leben der Lamberts ein. Dass der Regisseur das Einmaleins des Schauerkinos relativ souverän beherrscht, ist nicht zu übersehen. In der zweiten Hälfte nutzen sich einige Schockeffekte und Dämonenauftritte allerdings ab. Routine siegt hier über originelle Einfälle – so lässt sich das Endergebnis wohl am besten auf den Punkt bringen.

4 von 5 ★

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