Kritik21. Februar 2019

«Three Identical Strangers»: Eine Doku so spannend wie ein Krimi

«Three Identical Strangers»: Eine Doku so spannend wie ein Krimi
© Praesens Film

Nach der Geburt getrennte Drillinge finden als junge Erwachsene per Zufall wieder zusammen. Tim Wardle greift in seinem Dokumentarfilm ihre Geschichte auf und bringt dabei heute ethisch kaum mehr vertretbare Tatsachen zu Tage.

Filmkritik von Irene Genhart

Zu den Locations, an denen man in New York Ende der 1980er-Jahre gewesen sein musste, gehörte das «Triplets»: ein an sich kommunes Diner mitten in Manhattan. Dessen Attraktion waren die Besitzer: Die Brüder Bobby, Eddy und David, geboren am 12. Juli 1961 auf Long Island; retrospektiv lässt sich sagen, waren die 1980er in ihrem Drillingsdasein die wohl glücklichste Zeit.

Die drei waren nämlich sechs Monate nach der Geburt getrennt zur Adoption freigegeben worden; ohne von einander zu wissen, wuchsen die drei wenige hundert Kilometer voneinander entfernt in der Umgebung von New York auf. Sie waren 19, als Bobby Shaffran in das College eintrat, in welchem Eddy Galland im Jahr zuvor ein Studium begonnen und wieder abgebrochen hatte. Eddys Kommilitonen, welche Bobby mit diesem verwechselten, brachten die beiden zusammen, Zeitungsberichte über die wundersame Wiedervereinigung klopften schliesslich als Dritten David Kellman aus den Büschen.

Betreffend Archiv-, Film- und Bildmaterial schöpft Regisseur Tim Wardle aus reicher Fülle.– Cineman-Filmkritikerin Irene Genhart

Die Geschichte ging viral. Die Drillinge, in unterschiedlichen Milieus aufgewachsen, legten sich die gleiche Frisur zu, begannen die gleichen Kleider zu tragen, zogen zusammen. Sie waren Stars: Keine Zeitung, keine Zeitschrift, die nicht über sie berichtete, keine TV-Show, in die sie nicht eingeladen wurden; betreffend Archiv-, Film- und Bildmaterial schöpft Regisseur Tim Wardle aus reicher Fülle.

Allmählich kommt eine Geschichte zu Tage, die weniger von wiedergefundenem Glück, als vielmehr von einem ethisch fragwürdigen Experiment handelt.– Cineman-Filmkritikerin Irene Genhart

Die einzigen, die mit diesem Verlauf der Geschichte haderten, waren die drei Elternpaare. Um herauszufinden, wieso man sie über die Verwandtschaft ihrer Söhne nicht informiert hatte, sprachen sie gemeinsam bei der Adoptionsagentur vor. Deren Erklärung, dass diese Zurückhaltung zugunsten der Kinder war, schluckten sie allerdings ebenso, wie sie bei der Adoption zugestimmt hatten, an einer als Routineangelegenheit vorgestellten Studie teilzunehmen, welche die Entwicklung ihrer Söhne bis ins späte Jugendalter festhielt.

© Praesens Film

Wardle baut seinen Film ausgehend vom Moment des Kennenlernens in Gesprächen sowohl mit den Drillingen wie mit Angehörigen und Freunden chronologisch auf. Da und dort hakt er nach oder blendet kurz zurück. Spannend wie in einem Krimi kommt dabei allmählich eine Geschichte zu Tage, die weniger von wiedergefundenem Glück handelt, als vielmehr von einem ethisch fragwürdigen Experiment, von einem namhaften Wissenschaftler durchgeführt an unschuldigen Kindern und uneingeweihten Erwachsenen.

«Three Identical Strangers» ist ab dem 21. Februar in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.

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