Kritik23. April 2022

Sky-Show-Kritik Mini-Serie «Gaslit»: Machterhalt mit allen Mitteln

Sky-Show-Kritik Mini-Serie «Gaslit»: Machterhalt mit allen Mitteln
© Sky Show

Oft schon wurde die Watergate-Affäre, die Richard Nixon 1974 zu Fall brachte, in Film und Fernsehen aufgearbeitet. Auch die achtteilige Miniserie «Gaslit» wagt sich an dieses Unterfangen und rückt dabei die Rolle von Martha Mitchell in den Blick, deren Ehemann damals Wahlkampfmanager des US-Präsidenten und Justizminister war.

Filmkritik von Christopher Diekhaus

Eine gewöhnliche Politikergattin ist Martha Mitchell (Julia Roberts) eher nicht. Das unterstreicht die Sky-Show-Veröffentlichung, die auf der ersten Staffel des Podcasts «Slow Burn» basiert, schon in ihrer Auftaktfolge. Obwohl ihr Ehemann John (unter einer aufwendigen Maske nur schwer zu erkennen: Sean Penn) zum engsten Kreis des republikanischen Präsidenten Richard Nixon gehört, scheut die mit der Presse bestens vernetzte, regelmässig in Fernsehshows auftretende Martha nicht davor zurück, in Interviews auch Kritik an der Regierung zu äussern. Ihren Gatten treibt ihr Mitteilungsbedürfnis in den Wahnsinn, da es in die heisse Wahlkampfphase des Jahres 1972 geht.

In der Inszenierung, in den Dialogen, im Schauspiel und in der Musikuntermalung schlägt die Miniserie vom Start weg satirische Töne an.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Um dem politischen Gegner zu schaden, sollen auf Anweisung von oben gezielte Manöver in ausgeheckt und durchgeführt werden. Mitchells Gatte tauscht sich darüber mit John Dean (Dan Stevens) aus, einem schnittigen, ehrgeizigen Rechtsberater aus dem Weissen Haus, der schliesslich den früheren FBI-Beamten Gordon Liddy (Shea Whigham) als Planer der Verschwörungsoperationen vorschlägt. Ziel der Aktionen ist das im Watergate-Komplex gelegene Hauptquartier der Demokraten, in das in der Nacht zum 17. Juni 1972 fünf Männer eindringen, um Wanzen anzubringen und kompromittierende Informationen zu sammeln. Der Einbruch geht allerdings nicht wie gewünscht über die Bühne. Und plötzlich, da im Zentrum der Macht alle Alarmglocken schrillen, findet sich die zu diesem Zeitpunkt in Kalifornien weilende Martha in einer bedrohlichen Lage wieder.

In der Inszenierung, in den Dialogen, im Schauspiel und in der Musikuntermalung schlägt die Miniserie vom Start weg satirische Töne an. Showrunner Robbie Pickering («Mr. Robot») und Regisseur Matt Ross («Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück») wandeln auf den Spuren eines Adam McKay, der Geschichte und politische Zusammenhänge zuletzt in «Vice», einem Film über den Ex-US-Vizepräsidenten Dick Cheney, auf rasant-bissige Weise erläutert hat.

Betty Gilpin in «Gaslit» (2022)
Betty Gilpin in «Gaslit» (2022) © Sky Show

«Gaslit» setzt dem Zuschauer eine Reihe real existierender männlicher Figuren vor, die als schrecklich opportunistisch, lächerlich selbstbesoffen und/oder erstaunlich dilettantisch beschrieben werden. John Dean etwa ist ein Beamter, der gerne in der ersten Liga spielen würde, es jedoch in den für diese Kritik gesichteten Episoden eins bis drei nicht schafft, direkten Zugang zu Nixon zu bekommen. Gordon Liddy wiederum zeichnen die Drehbücher als durchgeknallten, Adolf Hitler verehrenden Staatsdiener, der sich mit pathetischen Worten zum heldenhaften Soldaten stilisiert. Er und seine Verschwörertruppe lassen bei ihrer Mission im Watergate-Gebäude dann aber fast kein Fettnäpfen aus und erscheinen tatsächlich wie die Idioten, über die einer der ermittelnden FBI-Agenten (Carlos Valdes) sinniert. Die Angst, Macht zu verlieren, und der Versuch, alles unter den Teppich zu kehren, treiben mehr als einmal die absurdesten Blüten.

Herzstück von «Gaslit» ist die von Julia Roberts mit viel Verve und einem in der Originalfassung kräftigen Südstaatenakzent verkörperte Martha Mitchell.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Herzstück von «Gaslit» ist die von Julia Roberts mit viel Verve und einem in der Originalfassung kräftigen Südstaatenakzent verkörperte Martha Mitchell, die einerseits ihrem Mann den Rücken stärkt, sich andererseits aber nach einem Leben ausserhalb des Politzirkus sehnt. Dass in ihrer Ehe trotz heiterer Momente einiges im Argen liegt, ist nicht zu übersehen. Schon vor dem Scheitern der Watergate-Operation gibt es Szenen zwischen ihr und John, in denen es um schmerzhafte Wahrheiten und Verletzungen geht. Nach dem Einbruchsfiasko bekommt die Miniserie einen Dreh ins Abgründige. Und man kann erahnen, was es mit dem Titel auf sich hat, der auf das Phänomen des Gaslighting verweist, die psychologische Manipulation eines Menschen, der dadurch an seinem Realitätsbezug und seiner Selbstwahrnehmung zweifeln soll.

Sean Penn in «Gaslit» (2022)
Sean Penn in «Gaslit» (2022) © Sky Show

Der Spagat zwischen Sarkasmus, Tragik und Spannung will in den ersten drei Folgen nicht immer gelingen. Und manchmal hätte «Gaslit» die komplexe Materie noch stärker durchdringen können. Nach etwas weniger als der Hälfte macht Pickerings Aufarbeitung der Watergate-Affäre allerdings Lust, sich genauer mit diesem dunklen, eine Verfassungskrise auslösenden Kapitel in der US-amerikanischen Politik zu befassen. Nebenbei bemerkt: Ein Mann, der schamlos lügt und manipuliert, sass noch bis Januar 2021 im Weissen Haus. Aktueller könnte der Fall Nixon also nicht sein.

3.5 von 5 ★

Die Mini-Serie «Gaslit» läuft ab 24. April auf Sky Show.

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