Kritik15. Juli 2020

Serientipp «Normal People»: Die Verfilmung von Sally Rooneys Bestseller trifft den richtigen Ton

Serientipp «Normal People»: Die Verfilmung von Sally Rooneys Bestseller trifft den richtigen Ton
© Hulu

Die in englischsprachigen Gefilden mit Spannung erwartete Verfilmung von Sally Rooneys gleichnamigem Bestseller bleibt ihrer Vorlage treu: Die feinfühlige, emotionale Boy-meets-Girl-Geschichte entpuppt sich dank intimen Darstellungen und einer unaufgeregten Erzählweise als eines der Serien-Highlights des aktuellen Jahres.

«Normal People» – sowohl der New-York-Times-Bestseller der Irin Sally Rooney, als auch die in Koproduktion von BBC und Hulu enstandene TV-Serie – handelt von Freundschaft, dem in Irland noch immer sehr dominanten Klassengefüge und von der Liebe der komplizierteren Art. Denn die Boy-meets-girl-Geschichte, die sowohl das Buch als auch die Serie aufdröselt, ist alles andere als simpel – wie auch Beziehungen und Intimität in modernen Zeiten eine delikate Angelegenheit darstellen, deren Grenzen oft fliessend sind.

So auch bei den zwei Protagonisten Connell (Paul Mescal) und Marianne (Daisy Edgar-Jones): Die blitzgescheite aber introvertierte junge Frau passt als Aussenseiterein auf den ersten Blick überhaupt nicht zum äusserst beliebten Connell, der an der Oberstufe im irischen Sligo als charmanter und attraktiver Athlet Frauenherzen höher schlagen lässt. Auch die Tatsache, dass Connells alleinerziehende Mutter in der Villa von Mariannes Familie putzt, trägt wenig zur Kompatibilität zwischen den zwei jungen Erwachsenen bei.

Man merkt deutlich, dass Romanautorin Sally Rooney auch am Drehbuch zur TV-Adaption beteiligt war.

Eine introvertierte Aussenseiterin: Marianne blüht erst nach dem Abi so richtig auf.
Eine introvertierte Aussenseiterin: Marianne blüht erst nach dem Abi so richtig auf. © Hulu

Und doch nähern sich die beiden eines Nachmittags nach dem Unterricht im Wohnzimmer von Mariannes Zuhause an. Immer öfter treffen sie sich von da an, meist bei Connell zu Hause, wo sie von der Umwelt abgeschirmt tun und lassen können, wonach ihnen beliebt. Ihr loses, undefiniertes Verhältnis zueinander halten sie nach Aussen geheim; vor allem Connell ist darauf bedacht, dass seine Freunde nicht von dieser aussergewöhnlichen Liebesbeziehung erfahren.

Sowohl Marianne als auch Connell zieht es nach dem Abi in die Grossstadt – und obwohl beide am Trinity College aufgenommen werden, gehen die beiden einem Vorfall an der Abschlussparty ihrer ehemaligen Schule geschuldet vorerst getrennte Wege. Während Marianne regelrecht aufblüht, hat Connell Mühe, sich in seinem neuen Umfeld zu integrieren – bis sich ihre Wege wieder kreuzen...

So nah dran, so explizit und dennoch ästhetisch und authentisch sind Sexszenen selten.

Die Serie ist in ihrer gemächlichen Erzählweise dem zugrundeliegenden Buch sehr ähnlich; man merkt deutlich, dass Romanautorin Sally Rooney auch am Drehbuch zur TV-Adaption beteiligt war. So finden Kernthemen wie noch immer vorherrschende Klassenunterschiede in Irland oder aber dem Sich-Fremd-Fühlen in einem neuen Lebensabschnitt aus dem Buch sehr subtil Eingang in die zwölf Folgen. Auf dem Regiestuhl Platz genommen haben Hettie Macdonald und Lenny Abrahamson («Room»): Sie erwecken die Welt von Marianne und Connell mithilfe von lichtdurchfluteten, in satte Farben getauchten Bildern und detailreicher Zurückhaltung.

Die Kamera (Suzie Lavelle und Kate McCullough) ist häufig nah an den Protagonisten dran und fängt viele intime Momente ein, oft auch physischer Natur: Selten sind Sexszenen so nah dran, so explizit und dennoch ästhetisch und authentisch. Untermauert wird die unaufgeregte und dennoch intensive Inszenierung von einem breit gefächerten Soundtrack vom coolen Rap-Track hin zum akustischen Cover, der in Kombination mit den häufig gefühlsgeladenen Szenen nicht selten Gänsehaut-Potential hat.

Ein Eis in der flirrenden Hitze der Toskana: Ein Sinnbild für Mariannes und Connells On-Off-Beziehung.
Ein Eis in der flirrenden Hitze der Toskana: Ein Sinnbild für Mariannes und Connells On-Off-Beziehung. © Hulu

Dass «Normal People» als Serie nah an ihrer Buchvorlage – feinfühlig, sich Zeit lassend, emotional – so gut funktioniert, ist auch dem intensiven Spiel der zwei HauptdarstellerInnen zu verdanken: Die Rollen von Connell und Marianne hätten mit Paul Mescal und Daisy Edgar-Jones nicht besser besetzt werden können; sie sind zwei Entdeckungen, von denen wir in Zukunft bestimmt noch mehr sehen werden.

Mit viel Fingerspitzengefühl für die unterschiedlichen Facetten ihrer jeweiligen Figur lassen sie die zwei verlorenen Seelen aus dem Roman aufleben, die nicht miteinander, aber auch nicht getrennt voneinander können. Ihre Chemie und das Knistern sind durch den Bildschirm beinahe spürbar; über Strecken ist das dann fast so schön wie etwa in «Call me By Your Name». Ein Vergleich, der nicht von Ungefähr kommt, erinnern doch Szenen während eines Urlaubs in der Toskana zwischen Connell und Marianne stark an die bittersüsse Ferienliebe zwischen Oliver und Elio.

4 von 5 ★

«Normal People» war auf BBC zu sehen und ist ab sofort auf Starzplay verfügbar.

Das könnte dich ebenfalls interessieren:

Ist dieser Artikel lesenswert?


Kommentare 0

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung