Kritik22. Mai 2019 Irina Blum
Netflix-Kritik «The Perfection»: Ein abstruser Horrorthriller um zwei Musikgenies
Nach «Die Kunst des toten Mannes» stellt Streaming-Riese Netflix mit «The Perfection» einen weiteren Horrorbeitrag vor, der die dunklen Seiten des Kulturbetriebs ausleuchtet. Das Ergebnis ist ein hakenschlagender, ab der Mitte allerdings rasch ins Absurde kippender Schocker.
Filmkritik von Christopher Diekhaus
Einst durfte die begnadete, an einem renommierten Musikkonservatorium ausgebildete Cellistin Charlotte (Allison Williams, die bereits in «Get Out» Erfahrungen in düsteren Filmgefilden sammeln konnte) von einer Weltkarriere träumen. Doch dann erkrankte ihre Mutter schwer, und die junge Frau sah sich gezwungen, nach Hause zurückzukehren, um ihre Pflege zu übernehmen.
Als die entkräftete Dame zehn Jahre später verstirbt, macht sich die frühere Wunderschülerin auf den Weg nach Shanghai, wo sie ihrem alten Mentor Anton (Steven Weber) begegnet, der vor Ort in einem grossangelegten Wettbewerb nach einem neuen Talent für seine prestigeträchtige Akademie Ausschau hält. In der Jury sitzt ausgerechnet die gefeierte Elizabeth Wells (Logan Browning), die damals Charlottes Ehrenplatz einnehmen konnte und seitdem zu einem Star in der Musikwelt aufgestiegen ist. Schon bald schlittern die beiden Cello-Asse in eine Spirale des Grauens.
«Black Swan»-Anklänge vermischen sich hier mit kleinen Body-Horror-Einschüben und bösen Rachefantasien.
Dass die Inhaltsangabe gegen Ende sehr vage bleibt, hat durchaus seinen Grund. Denn «The Perfection» führt den Betrachter schon im Anfangsdrittel auf falsche Fährten und bietet im Folgenden mehr als eine krasse Wendung auf. Mutlosigkeit oder Vorhersehbarkeit kann man dem von Richard Shepard («Dom Hemingway») inszenierten, in vier Kapitel eingeteilten Film sicherlich nicht vorwerfen.
Das Ganze nimmt ab der Hälfte seltsam groteske Züge an.
«Black Swan»-Anklänge vermischen sich hier mit kleinen Body-Horror-Einschüben und bösen Rachefantasien. Erzählerischen Feinschliff sollte man dabei jedoch nicht erwarten. Vielmehr packen der auch am Drehbuch beteiligte Regisseur und seine Koautoren Nicole Snyder und Eric C. Charmelo bevorzugt den dramaturgischen Holzhammer aus.
Hat das muntere Spiel mit Erwartungen und Genrekonventionen zunächst seinen Reiz, nimmt das Ganze ab der Hälfte seltsam groteske Züge an. Die Logik hinter manchen Handlungen erscheint äusserst verquer. Wiederholt setzen die Macher auf trashige Exzesse. Und spätestens im reichlich überzogenen Finale gibt «The Perfection» seine Hauptfiguren der Lächerlichkeit preis.
Was als unangepasste, ein hochgradig brisantes Thema anpackende Selbstermächtigungsgeschichte gedacht ist, wirkt plötzlich wie ein schlechter Witz und verliert dadurch jeglichen Schrecken. Kaschieren können den reisserisch-trivialen Eindruck auch die gelackten Bilder von Kameramann Vanja Cernjul nicht, der die gediegen-prunkvolle Fassade des dargestellten, an Abgründen nicht armen Musikermilieus genüsslich erkundet.
2 von 5 ★
«The Perfection» ist ab dem 24. Mai auf Netflix verfügbar.
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