Kritik19. Januar 2022

Netflix-Kritik «The Journalist»: Keine Angst vor dem System

Netflix-Kritik «The Journalist»: Keine Angst vor dem System
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Basierend auf dem japanischen Spielfilmhit «The Journalist» erzählt die gleichnamige Netflix-Serie von einem politischen Korruptionsskandal, den eine Reporterin nicht im Sande verlaufen lassen will. Leider geht es in den ersten drei Folgen eher fahrig und wenig spannend zur Sache.

Serienkritik von Christopher Diekhaus

Eigentlich recherchiert die Journalistin Anna Matsuda (Ryoko Yonekura) zu Beginn in einem anderen Fall. Da die Klärungsaussichten eher schlecht stehen, setzt ihr Chef sie aber kurzerhand auf eine andere Geschichte an: Der Premierminister und seine Ehefrau scheinen in einen dubiosen Deal rund um die Eishin-Akademie verwickelt zu sein.

Während Matsuda Licht ins Dunkel zu bringen versucht, sind unterschiedliche Regierungsstellen eifrig damit beschäftigt, Spuren zu verwischen. Klare Anweisungen, den Skandal im Keim zu ersticken, erhält etwa Shinichi Murakami (Go Ayano), der Assistent der First Lady, der in eine spezielle Geheimdienstabteilung beordert wird. Auch den Finanzbeamten Kazuya Suzuki (manchmal arg theatralisch: Hidetaka Yoshioka) erreicht ein brisanter Befehl von oben. Sauber und gründlich soll er verräterische Dokumente fälschen. Eine Aufgabe, die der pflichtbewusste Mann mit spürbarem Unbehagen angeht.

Die Grundpfeiler für einen packenden, investigativen Journalismus feiernden Mix aus Drama- und Thrillerserie sind vorhanden.– Cineman-Serienkritiker Christopher Diekhaus

Wie genau der nach und nach mehr politisches Interesse entwickelnde Student und Zeitungsausträger Ryo Kinoshita (Ryusei Yokohama) ins Bild passt, bleibt anfangs unklar. Nach einem tragischen Ereignis lüftet sich jedoch auch bei ihm langsam der Schleier.

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Die Grundpfeiler für einen packenden, investigativen Journalismus feiernden Mix aus Drama- und Thrillerserie sind vorhanden, zumal die skizzierte Affäre von den Korruptionsvorwürfen gegen den ehemaligen japanischen Premierminister Shinzo Abe inspiriert wurde. Regisseur Michihito Fujii, der schon den ebenfalls «The Journalist» genannten Kinofilm inszenierte, und seine kreativen Mitstreiter schaffen es – zumindest in den ersten drei von sechs Episoden – trotz einer penetrant Spannung suggerierenden Musikuntermalung nicht, einen Sog zu entfachen.

Ausgerechnet die Titelheldin wird eher platt eingeführt.– Cineman-Serienkritiker Christopher Diekhaus

Ausgerechnet die Titelheldin wird eher platt eingeführt. Auf einer Pressekonferenz darf sie durch kritische Nachfragen ihren hartnäckigen, unbestechlichen Charakter beweisen. Im Anschluss verhält sie sich allerdings oft erstaunlich passiv, ist erst einmal keine echte treibende Kraft. Egal, wie vehement andere Figuren auch betonen, dass sie sich energisch in ihre Nachforschungen stürze. In Folge zwei steht Matsuda beispielsweise eher am Rande, während der unter dem Druck und seinen Gewissensbissen leidende Suzuki besonders viel Handlungsraum bekommt.

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Hier und da wird deutlich, wie wenig sich das von absolutem Gehorsam geprägte System um Einzelschicksale schert. Nicht selten fliegen die Geschehnisse der in Grautöne getauchten Netflix-Produktion aber an einem vorbei, ohne dass man richtig Anteil nehmen könnte. Kein Wunder, wenn viele Entwicklungen einfach über Zeitungsartikel oder kurze Nachrichtenausschnitte zusammengefasst werden. Aufregende Erzählkunst ist das sicher nicht.

2,5 von 5 ★

«The Journalist» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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