Kritik19. März 2021

Netflix-Kritik «Sky Rojo»: Auf den Spuren Tarantinos

Netflix-Kritik «Sky Rojo»: Auf den Spuren Tarantinos
© Netflix

Mit der Krimisaga «Haus des Geldes» landete der spanische Produzent und Drehbuchautor Álex Pina auf Netflix einen veritablen Hit – und bringt nun ein neues Serienprojekt für den Streaming-Dienst an den Start. «Sky Rojo» eifert spürbar den Pulp-Fantasien eines Quentin Tarantino nach, ist jedoch bei weitem nicht so ausgefeilt.

Serienkritik von Christopher Diekhaus

Handlungsort des neuen spanischen Netflix-Stoffes, den Pina zusammen mit der «Haus des Geldes»-Schreiberin Esther Martínez Lobato konzipierte, ist die Kanareninsel Teneriffa, die in den der Presse vorab zur Verfügung gestellten ersten vier Episoden vor allem ihren staubig-wüstenartigen Charakter herauskehrt. Irgendwo mitten in einem ausgetrockneten Landstrich steht ein Nachtclub namens «Las Novias», hinter dessen Türen sich ein exklusives, in Neonlicht getauchtes Bordell befindet.

Besitzer Romeo (Asier Etxeandia) führt das Etablissement mit eiserner Hand und verfügt über seine «Bräute», wie er die Prostituierten nennt, als wären sie sein Eigentum. Der Zuhälter sei der zweitgrösste Wichser, den sie je getroffen habe, erklärt Coral (Verónica Sánchez), eine der Protagonistinnen, bereits in der Auftaktfolge. Wer ihn im negativen Sinne übertrumpft, behält sie erst einmal für sich. Denkbar ist ein persönlicher Bezug. Vielleicht musste Coral, die ein Biologiestudium abgeschlossen hat, vor einem Ex-Partner fliehen.

Das Verhalten der Figuren ist in einigen Momenten mit «unbedarft» nett umschrieben.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

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Viel Zeit zum Eingewöhnen gibt «Sky Rojo» dem Zuschauer nicht. Schon nach wenigen Minuten bringen die Serienschöpfer den Plot ins Rollen: Als die aus Kuba stammende Gina (Yany Prado) Romeo vergebens um die Herausgabe ihrer Papiere bittet, kommt es zu einem heftigen Streit, der Ginas Kolleginnen Coral und Wendy (Lali Espósito) auf den Plan ruft und an dessen Ende der Clubeigentümer in einer Blutlache liegt. Hals über Kopf verlassen die drei Frauen das Haus und stehen vor der Frage, was sie tun sollen.

Die Entscheidung, noch einmal umzukehren, bereuen sie nur wenig später. Da Gina bei dem Handgemenge schwer verletzt wurde, machen sie sich schliesslich auf den Weg zu einem Tierarzt, der Corals Dienste regelmäßig in Anspruch nimmt und ihre Medikamentensucht stillt. Das für Romeo arbeitende Geschwisterpaar Moisés (Miguel Ángel Silvestre) und Christian (Enric Auquer) versucht unterdessen, den anderen Prostituierten mit rabiaten Methoden Informationen über den Verbleib der geflüchteten Damen abzupressen.

Stellenweise wirkt das Ganze aber wie eine verunglückte Satire.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Rückblenden, Vorgriffe, wechselnde Voice-over-Kommentare mit sarkastischer Färbung, poppige, kontrapunktisch eingesetzte Musikstücke und ein hohes Tempo – «Sky Rojo» zieht alle möglichen Register, um den Zuschauer in die Serienwelt hineinzuziehen. Die Spielereien verdecken jedoch nicht, was schon die erstaunlich kurze Episodenlänge vermuten lässt: Substanz ist für die Netflix-Produktion ein Fremdwort.

Die Charakterzeichnung kommt trotz nach und nach enthüllter Backstorys selten über den Klischeestatus hinaus. Das Verhalten der Figuren ist in einigen Momenten mit «unbedarft» nett umschrieben. Und vielen der gewollt lässig-schwarzhumorigen Dialoge fehlt der nötige Esprit.

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Quentin Tarantinos zwanglos-coole Pulp-Balladen und der schräge Wahnsinn der Coen-Brüder scheinen als grosse Vorbilder gedient zu haben. Stellenweise wirkt das Ganze aber bloss wie eine verunglückte Satire. Bestes Beispiel ist das krampfhaft auf Absurdität getrimmte Auftreten der Brüder Moisés und Christian, die ständig über ihre kranke Mutter und Christians Aggressionsprobleme diskutieren. Zwei Knallchargen, die als Antagonisten nur schwer ernst zu nehmen sind. Der Reiz der derben Kolportagehandlung hält sich auch deshalb in Grenzen, weil den ersten vier Folgen etwas Heuchlerisches anhaftet.

Einerseits soll «Sky Rojo» eine furiose weibliche Ermächtigungsgeschichte sein und kritisiert daher mehrfach, dass die Prostituierten brutal ausgebeutet, mit misogynen Tiraden überzogen und zu Objekten degradiert werden. Andererseits müssen Coral, Wendy und Gina leichtbekleidet die Flucht antreten. Die Kamera hat so immer wieder Gelegenheit, ihre Körper zu fixieren.

2 von 5 ★

«Sky Rojo» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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