Kritik6. April 2021

Netflix-Kritik «Seaspiracy»: Wale weinen nicht

Netflix-Kritik «Seaspiracy»: Wale weinen nicht
© Netflix

Wenn sich ein Streaming-Dienst wie Netflix für jemanden zum Segen entwickelt hat, dann für die Macher von kleinen Filmen oder Dokumentationen. Eine Dokumentation wie «Seaspiracy», die seit ihrem Start bei Netflix in der Top Ten der meist gesehenen Produktionen steht, hätte bei einer regulären Veröffentlichung im Kino oder auf DVD niemals diese Verbreitung erfahren. Dabei ist es gerade auch bei einem Film wie diesem wichtig, dass er von vielen Menschen gesehen wird.

Filmkritik von Peter Osteried

Die Filmemacher Ali und Lucy Tabrizi zeichnen ein düsteres Bild der Zukunft, indem sie aufzeigen, was schon heute die grössten Bedrohungen für die Meere sind. Das geht von Überfischung über Umweltverschmutzung, deckt aber auch das Problem fehlender staatlicher Kontrollen ab, zeigt, wie schädlich Subventionen sind und konzentriert sich nicht nur auf die Meere an sich, sondern auch die Menschen, die damit arbeiten und unter welchen Bedingungen das stattfindet.

Den Tabrizis gelingen einige gute Aufnahmen.– Cineman-Filmkritiker Peter Osteried

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Der Film greift damit ein unendlich komplexes und auch sehr umfangreiches Thema auf, das vielleicht mehr Rahmen als die abendfüllende Länge eines Films benötigt hätte, um in mancherlei Hinsicht noch etwas mehr in die Tiefe gehen zu können. Denn die einfache Lösung, die der Film propagiert, ist so einfach dann auch nicht umzusetzen. Natürlich lässt sich leicht sagen: «Esst weniger Fisch.» Das ist in Industrienationen sicherlich kein Problem, dazu müsste es nur ein Umdenken der Konsumenten geben. Aber in vielen weniger entwickelten Ländern leben die Menschen vom Fisch – sei es als Fischer, oder aber auch als Hauptnahrungsquelle. Die können dem Motto, einfach weniger Fisch zu essen, nicht einfach so nachkommen.

«Seaspiracy» ist in erster Linie ein ehrenwerter Versuch, der bei weitem nicht in jeder Beziehung punktet, aber vielleicht zumindest bei dem einen oder anderen Zuschauer einen Denkprozess in Gang setzt.– Cineman-Filmkritiker Peter Osteried

Letztlich leidet der Film aber an dieser Simplizität, zumal seine Macher sich zu häufig als Ritter in weisser Rüstung inszenieren, die gegen eine globale Verschwörung vorgehen. Sie geben sich als harte Aufklärungsreporter, die einem Skandal auf der Spur sind, torpedieren den Ansatz aber durch eine merkwürdige Art des Klopfens auf die eigene Schulter. Dennoch gelingen den Tabrizis einige gute Aufnahmen – etwa dann, wenn sie sich investigativ auf einer Lachsfarm in Schottland oder auf einem Markt für Haifischflossen in China umsehen.

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Aber zu einer wirklichen Einheit gerät ihr Film nie. Sie springen zu erratisch hin und her, sie folgen dem Geld, wie so schön einmal gesagt wird, bleiben aber zu oft an der Oberfläche – häufig auch dann, wenn es eigentlich gerade richtig spannend wird.

«Seaspiracy» ist in erster Linie ein ehrenwerter Versuch, der bei weitem nicht in jeder Beziehung punktet, aber vielleicht zumindest bei dem einen oder anderen Zuschauer einen Denkprozess in Gang setzt.

3 von 5 ★

«Seaspiracy» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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