Kritik14. August 2020

Netflix-Kritik «Project Power»: Projekt gescheitert

Netflix-Kritik «Project Power»: Projekt gescheitert
© Netflix

Ohne Superkräfte geht bei Netflix offenbar fast nichts mehr: Mit «Project Power» wird ein neuer Sci-Fi-Action-Cocktail auf das Publikum losgelassen, in dem, mal wieder, übermenschliche Fähigkeiten eine Rolle spielen. Aussergewöhnlich ist an dem Film allerdings herzlich wenig.

Filmkritik von Christopher Diekhaus

Was wäre, wenn es ein Mittel gäbe, das demjenigen, der es schluckt, für kurze Zeit ungeahnte Kräfte verliehe? Diese interessante Frage schwebt über dem neuen Netflix-Blockbuster «Project Power» und könnte der Auftakt zu einem packenden, in moralische Abgründe eintauchenden Ritt sein, der den Zuschauer kräftig durchschüttelt. Das von Mattson Tomlin verfasste Drehbuch weiss aber leider fast nichts mit der verlockenden Prämisse anzufangen und flüchtet sich in einen kruden 08/15-Plot, der alle möglichen abgegriffenen Thriller-Motive zusammenwürfelt.

In New Orleans soll eine neuartige Wunderpille, die dem Benutzer für fünf Minuten eine jeweils individuelle besondere Fähigkeit verspricht, im grossen Stil getestet werden und erhält aus diesem Grund Einzug in die Dealer-Kreise der Stadt am Mississippi. Auch die rapbegeisterte Schülerin Robin (Dominique Fishback) gelangt in den Besitz einiger Kapseln und hofft, ihrer kranken Mutter durch den Verkauf helfen zu können. Der hemdsärmelige Polizist Frank (Joseph Gordon-Levitt) dagegen will in seinem Revier für Ordnung sorgen und greift dabei, wie so oft, auf die Dienste der jungen Rauschgifthändlerin, seiner Kontaktperson ins Milieu, zurück. Mit dem zu allem bereiten Ex-Soldaten Art (ein komplett unterforderter Jamie Foxx) betritt zudem eine weitere Person die Bühne, die eine eigene Agenda verfolgt.

«Project Power» wirft bloss pseudoclevere Evolutionsgedanken in den Raum.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

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«Project Power» erzählt davon, wie die drei grundverschiedenen Figuren im Laufe der Geschehnisse zu einem Team zusammenwachsen, gewinnt diesem Prozess jedoch keine aufregenden Facetten ab. Hintergrundgeschichten vom Drehbuchreissbrett sollen zumindest etwas emotionale Grundierung liefern. Weder Robins Kampf für ihre Mutter noch Arts Suche nach seiner Tochter machen aus den beiden allerdings spannende, dreidimensionale Charaktere. Noch schlimmer trifft es Levitts Draufgänger-Cop, der als platte Verneigung vor dem von Clint Eastwood gespielten Gesetzeshüter Dirty Harry in Erinnerung bleibt.

Grosse Kreativität findet man allerdings auch in der Inszenierung und der visuellen Gestaltung nicht.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Da die Protagonisten – und erst recht die nichtssagenden Antagonisten – wenig zu bieten haben, wäre eine wendungsreiche, mit ein paar pfiffigen Ideen garnierte Handlung umso wichtiger. «Project Power» wirft aber bloss pseudoclevere Evolutionsgedanken in den Raum, bemüht halbherzige Systemkritik und läuft nahezu überraschungsfrei auf das bleihaltige Finale zu.

© Netflix

Die Actionmomente bringt das Regiegespann Henry Joost und Ariel Schulman (verantwortlich für den soliden Social-Media-Thriller «Nerve») einigermassen passabel in den Kasten. Grosse Kreativität findet man allerdings auch in der Inszenierung und der visuellen Gestaltung nicht. Die Verwandlungen der Menschen, die sich eine der ominösen Wunderkugeln eingeworfen haben, hätte man – gerade bei einem stattlichen Budget von rund 85 Millionen Dollar – gewiss noch eindrucksvoller und berauschender ins Bild setzen können.

2 von 5 ★

«Project Power» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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